CP/M

CP/M: Die Vision eines Mannes, die zur Blaupause des PCs wurde

 

 

Gary Kildall war einer jener frühen Computerpioniere, die sich selbst kaum als solche betrachteten und dennoch eine ganze Ära prägten. Geboren 1942 in Seattle und später Professor an der Naval Postgraduate School in Monterey, galt er als technisch brillanter Kopf, der lieber experimentierte als sich mit geschäftlichen Formalitäten aufzuhalten. Zeitzeugen beschrieben ihn häufig als außergewöhnlich kreativ, aber nicht als jemanden, der sich besonders für harte Verhandlungen begeisterte – ein Charakterzug, der seine spätere Rolle in der Geschichte der Mikrocomputerindustrie mitprägte.

Seine Karriere begann bei Intel, wo er sich früh mit dem brandneuen 8080-Prozessor beschäftigte, dort die höhere Programmiersprache PL/M entwickelte und Werkzeuge schuf, die er später als „die ersten richtigen Werkzeuge des Mikrocomputerzeitalters“ bezeichnete. Diese Arbeit bildete die Grundlage für seine späteren Betriebssystemexperimente. Doch Intel interessierte sich wenig für eine eigene Betriebssystemlinie. Die Lücke nutzte Kildall – oder genauer gesagt: sie ließ sich durch seine Neugier schließen. Nach Feierabend experimentierte er zuhause mit Diskettencontrollern und schrieb ab 1973 an den ersten Fassungen dessen, was später CP/M werden sollte.

Für Laien lässt sich die Entstehung von CP/M leicht erklären: In den frühen 1970er-Jahren existierten Mikrocomputer meist nur als Prozessoren mit rudimentärer Software. Jeder Hersteller entwickelte eigene Lösungen, Programme ließen sich kaum übertragen, und ein gemeinsamer Standard war nicht in Sicht. CP/M war das erste wirklich weit verbreitete Mikrocomputer-Betriebssystem, das Ordnung in einen Markt brachte, der zuvor aus hunderten nicht miteinander kommunizierenden Inseln bestanden hatte. Es machte die frühen Rechner vergleichbar und erlaubte es, identische Programme auf völlig unterschiedlichen Maschinen zu nutzen. Was heute selbstverständlich ist – ein Betriebssystem, das Dateien verwaltet, den Startvorgang steuert und Programme lädt – war damals ein fundamentaler Fortschritt. Viele Historiker bezeichnen CP/M daher als das erste professionelle Betriebssystem der Personalcomputer-Ära.

CP/M entstand aus Kildalls Arbeit bei Intel, wo er PL/M entwickelte und Werkzeuge für den 8080 schrieb. Nach Feierabend experimentierte er zu Hause mit frühen Diskettensteuerungen und begann ab 1973 an der ersten Version zu arbeiten. Der entscheidende Schritt gelang ihm, als er eine effiziente Methode fand, Diskettenlaufwerke mit Mikroprozessoren anzusteuern – ein technisches Problem, das bis dahin als schwierig galt. Intel zeigte an einem eigenen Betriebssystem wenig Interesse, doch für Kildall war dies der Ausgangspunkt einer neuen Ära.

Gemeinsam mit seiner Frau Dorothy McEwen gründete er Digital Research, jene Firma, die CP/M kommerzialisierte und zur dominierenden Plattform der späten 1970er- und frühen 1980er-Jahre machte. Die Struktur von CP/M war ebenso einfach wie genial. Es bestand aus drei Komponenten: dem BIOS, das alle hardwarespezifischen Routinen enthielt; dem BDOS, der den Zugriff auf Dateien, Laufwerke und Systemdienste regelte; und dem CCP, dem Console Command Processor, der die Kommandozeile bereitstellte. Für Nichtfachleute lässt sich diese Architektur so beschreiben: Das BIOS sprach die Hardware, der BDOS bildete den Kern des Betriebssystems, und der CCP war die sichtbare Benutzerschnittstelle. Gerade diese klare Aufteilung machte CP/M extrem portierbar: Hersteller mussten lediglich ein eigenes BIOS schreiben, während der Rest unverändert blieb.

Die Arbeitsweise war einfach, aber effizient. Nach dem Einschalten erschien das bekannte „A>“-Prompt. Befehle wie DIR oder ERA wurden direkt ausgeführt, externe Programme lagen als .COM-Dateien vor und kehrten nach ihrem Ablauf wieder an das Betriebssystem zurück. Das Dateiformat mit acht Zeichen Dateiname und drei Zeichen Erweiterung, später als „8.3-Format“ bekannt, wanderte später direkt in MS-DOS. Ebenso die Laufwerksbuchstaben A:, B: und C:, die viele heute fälschlich ausschließlich mit Microsoft verbinden.

Wirtschaftlich war CP/M ein Meilenstein. Es gilt heute als das erste kommerziell erfolgreiche 8-Bit-Betriebssystem und lief auf mehreren hundert unterschiedlichen Computern – von North Star und Osborne über Kaypro bis zu Amstrad und zahlreichen industriellen Modellen. Konservative Schätzungen sprechen von über 300 Modellen, einige Archive nennen sogar zwischen 400 und 500, je nach Zählweise. Die enorme Verbreitung war möglich, weil CP/M erstmals portable Software ermöglichte: WordStar, dBASE II oder SuperCalc wurden zu industriellen Standards und prägten ganze Berufsgruppen. Wer CP/M unterstützte, konnte sofort auf einen großen Softwarepool zugreifen, was den Erfolg vieler Hersteller überhaupt erst ermöglichte.

Technisch lief CP/M üblicherweise auf Intel-8080- oder Zilog-Z80-Prozessoren mit 16 bis 64 KB RAM und einem oder zwei 5,25-Zoll-Diskettenlaufwerken. Spätere Versionen wie CP/M Plus (CP/M 3.0) unterstützten durch Bankswitching mehr Speicher und erweiterten den Funktionsumfang deutlich. Ein entscheidender Vorteil gegenüber proprietären Systemen wie Apple DOS oder dem TRS-80-Betriebssystem war die Offenheit: Hersteller konnten ihre Maschinen schnell CP/M-fähig machen, ohne selbst ein komplettes Betriebssystem entwickeln zu müssen.

Einer der am häufigsten diskutierten Momente der Computergeschichte ist die gescheiterte Verhandlung zwischen IBM und Digital Research über eine Lizenz für den IBM PC. Zeitgenössische Dokumente und mehrere Interviews – darunter Tom Rolander im Gespräch für die 1995 ausgestrahlte Folge „The Computer Chronicles: A Tribute to Gary Kildall“ – belegen, dass es zu Missverständnissen kam, teils durch juristische Unklarheiten, teils durch die ungewöhnlich hastig angesetzten Termine. IBM verließ das Treffen ohne Vertrag, Microsoft sprang ein, und MS-DOS wurde zum Standard der PC-Ära. Viele Historiker sehen darin den Punkt, an dem CP/M vom dominierenden System zum „verlorenen Standard“ wurde.

Preislich bewegte sich CP/M in einem Bereich, der je nach Lizenzmodell und Jahr variierte. Typische OEM-Lizenzen lagen zwischen 70 und 100 US-Dollar, was inflationsbereinigt etwa 230–330 US-Dollar im Jahr 2025 entspricht. Umfangreichere Produkte wie CP/M-86 kosteten als Einzelversion zwischen 250 und 400 US-Dollar, inflationsbereinigt ungefähr 780–1250 US-Dollar. Für kleine Firmen und Privatanwender waren dies spürbare Summen, doch angesichts der Stabilität und Portabilität erhielten sie erstmals eine professionelle Softwareumgebung.

Die Nachfolger von CP/M waren ehrgeizig: MP/M brachte Multitasking auf Mikrocomputer, CP/M-86 leitete den Übergang in die 16-Bit-Welt ein, und DR-DOS wurde später zum direkten Konkurrenten von MS-DOS. Doch der Markt hatte sich längst zugunsten der IBM-PC-Kompatibilität entschieden. Was blieb, war ein technisches Fundament, dessen Konzepte – das BIOS-Modell, das 8.3-Dateiformat und die Kommandozeilenarchitektur – in vielen Systemen bis heute weiterleben.

Damit steht CP/M als Monument einer Zeit, in der Mikrocomputer noch wagemutige Experimente waren und jeder Fortschritt eine ganze Branche verändern konnte. Ohne CP/M hätte die junge Personalcomputerwelt keinen einheitlichen Standard besessen – und ohne Gary Kildall wäre diese entscheidende Weiche nie gestellt worden. Er schrieb die Regeln einer Industrie, ohne je das Bedürfnis zu verspüren, sie anderen aufzuzwingen. Genau darin liegt sein Vermächtnis.

 

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