Firepower – 1987 by MicroIllusions

Fire Power: Zwei Panzer, ein Modem, null Gnade

FirepowerIm Herbst 1987 veröffentlichte MicroIllusions auf dem Commodore Amiga ein Spiel, das damals fast unbemerkt blieb, heute aber als Fundament eines ganzen Subgenres gilt: Fire Power. Entwickelt wurde es von der kleinen kalifornischen Firma Silent Software Inc., mit Reichart Kurt von Wolfsheild als Designer und William A. Ware als Programmierer. Von Wolfsheild sollte später durch Spiele wie Turbo (1988) und Return Fire (1995) bleibenden Einfluss auf taktische Action-Designs nehmen.

Fire Power war ein Experiment, wie sich pure Arcade-Action mit strategischen Elementen verbinden lässt. Von Wolfsheild beschrieb die Idee später in einem Entwicklergespräch so: „Wir wollten ein Kriegsspiel schaffen, das direkt, zerstörerisch und gleichzeitig planbar ist – eine Kombination, die es damals nicht gab.“
Das Szenario ist schlicht, aber effektiv: Zwei Basen, zwei Panzerarmeen, ein Ziel – die gegnerische Flagge rauben und zur eigenen Festung zurückbringen.

Der Spieler steuert seinen Panzer aus der Vogelperspektive durch ein weitläufiges, frei befahrbares Areal mit zerstörbaren Gebäuden, Panzersperren, Bunkern und Radartürmen. Mit jeder Explosion verändert sich die Landschaft sichtbar – für 1987 eine technische Sensation. Dabei gilt es, feindliche Stellungen auszuschalten, Gefangene zu bergen und die feindliche Flagge in die eigene Basis zu bringen.

Das Spiel erlaubte bereits Zwei-Spieler-Matches, entweder im Split-Screen-Modus oder über eine Modem-Verbindung – eine Funktion, die ihrer Zeit Jahre voraus war. Spieler in den USA erinnerten sich später daran, wie sie in den späten Achtzigern nächtelang gegeneinander kämpften, über 2400-Baud-Verbindungen, während das Modem fiepte und die Tanks donnerten.

Technisch schöpfte Fire Power die Möglichkeiten des Amiga aus:

  • Auflösung: 320×200 Pixel
  • Farben: bis zu 32 gleichzeitig
  • Sound: digitalisierte Effekte statt Musik (bewusst minimalistisch)
  • Steuerung: Joystick oder Tastatur, präzise und direkt
  • Spielmodi: Solo, Splitscreen oder Modem

Auf dem Commodore 64 erschien eine abgespeckte Portierung mit kleinerem Spielfeld und vereinfachten Explosionseffekten. Die MS-DOS-Version variierte stark je nach Grafikkarte – CGA-Varianten waren kaum spielbar, EGA- oder VGA-Versionen dagegen erstaunlich nah am Original. Die Apple IIgs-Portierung, umgesetzt von Stephen P. Lepisto bei Sculptured Software, galt als technisch sauber, aber deutlich langsamer.

Musikalisch blieb Fire Power ungewöhnlich still: kein Soundtrack, nur das metallische Rattern, die Detonationen und das tiefe Dröhnen der Geschütze. Diese akustische Leere verlieh dem Spiel eine beklemmende Atmosphäre – fast schon wie ein frühes „audio design“-Experiment.

Die internationale Fachpresse reagierte auf Fire Power überwiegend positiv, wenn auch mit einer gewissen Zurückhaltung. In den USA zeigte sich die Amiga World 1988 besonders angetan von der grafischen und spielerischen Wucht des Titels und schrieb begeistert: “Fire Power brings a real sense of battlefield destruction, more than any tank game before it.” („Fire Power vermittelt ein echtes Gefühl von Schlachtfeld-Zerstörung, mehr als jedes Panzerspiel zuvor.“) Die britische CU Amiga lobte ein Jahr später vor allem die damals visionäre Online-Funktion und urteilte: “The modem option is sheer brilliance, if you can find someone else with the game.” („Die Modem-Option ist schlicht brillant, wenn man jemanden findet, der das Spiel besitzt.“)

Auch auf dem Kontinent fand das Spiel Anklang: Die französische Joystick bewertete die Amiga-Version 1988 mit soliden 82 % und beschrieb sie als „un jeu très moderne et tactique“ („ein sehr modernes und taktisches Spiel“). Die deutsche Happy Computer äußerte sich 1989 im Rahmen eines Technikvergleichs etwas nüchterner, erkannte dem Titel aber immerhin „beachtliche Zerstörungseffekte, aber wenig Abwechslung“ zu. So blieb Fire Power in der Wahrnehmung der Presse ein technisch faszinierendes, spielerisch solideres Experiment – ein Stück kriegslastiger Actiongeschichte, das vor allem durch seine Ideen und sein atmosphärisches Design in Erinnerung blieb.

Obwohl Fire Power kein kommerzieller Riesenerfolg wurde, war es ein enorm einflussreicher Titel. Viele spätere Spiele griffen seine Prinzipien auf: Zerstörbare Umgebungen, kombinierte Solo- und Koop-Modi, Basisraub als Siegbedingung. Von Wolfsheilds Ideen sollten acht Jahre später im 3DO-Titel Return Fire ihre Vollendung finden – demselben Konzept in 3D, nun orchestriert und mit Helikoptern, Jeeps und Bunkern.

Rückblickend gilt Fire Power als Pionier. Es war roh, aber mutig – das erste Spiel, das das Gefühl vermittelte, ein Stück Land wirklich zu verwüsten. Eine Kriegssimulation, ohne Simulation sein zu wollen.

 

Vixen (She-Fox) – 1988 by Martech

She-Fox (1988): Ein Spiel zwischen Anspruch, Absturz und Amazone

Vixen 1988Als She-Fox 1988 erschien, war das Thema weiblicher Heldenfiguren in Computerspielen noch eine Rarität. Die britische Firma Martech Games Ltd. – bekannt durch Titel wie Zoids, Uchi Mata und Eddie Kidd Jump Challenge – wollte das ändern und präsentierte eine blonde, peitscheschwingende Heldin, die auf einem fernen Planeten gegen urzeitliche Kreaturen antrat. Auf dem Papier war das eine Mischung aus Barbarella und Rygar, eine futuristische Amazonin mit einem Hauch Glamour – typisch für die späten Achtziger.

Die Hintergrundgeschichte spielt auf dem Planeten Granath, der seit Äonen von Dinosauriern und fliegenden Bestien überrannt wird. Menschen gibt es dort kaum noch; die Titelheldin „She-Fox“ kämpft als letzte Überlebende gegen die Monster der Urzeit. Mit einer Peitsche bewaffnet, durchstreift sie die Ebenen des Planeten, weicht Abgründen aus, sammelt Energie und kämpft sich durch acht Abschnitte, die sich grafisch voneinander unterscheiden: Wüsten, Dschungel, Höhlen und futuristische Ruinen. Die Gegner variieren leicht, ebenso das Scrollingtempo. Auf den 16-Bit-Systemen (Amiga, Atari ST) wirkt die Grafik deutlich sauberer, während die 8-Bit-Versionen (C64, CPC, Spectrum) unter Ruckeln und unpräziser Kollisionsabfrage leiden.

Das Szenario wirkt wie eine postapokalyptische Parabel mit prähistorischem Einschlag – ein Mix aus Science-Fiction und Fantasy, in dem Muskelkraft wichtiger ist als Logik. Schon die Verpackung bediente das Klischee der „Kriegerin im Metallbikini“ und zielte auf ein männliches Publikum ab, das sich irgendwo zwischen Red Sonja und Heavy Metal-Comic verorten ließ. Martechs Marketing griff diese Ästhetik bereitwillig auf, um nach einigen Misserfolgen wieder Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Technisch war She-Fox ein klassisches horizontal scrollendes Actionspiel, das – wie viele späte Martech-Produktionen – an ambitionierten Ideen, aber an schwacher Ausführung litt. Die Steuerung reagierte träge, und das Trefferfeedback war unpräzise. Die Animation der Peitsche sah zwar dynamisch aus, doch fehlte ihr das Gefühl von Wucht. Besonders in den 8-Bit-Versionen litt der Spielfluss unter sichtbaren Ladeverzögerungen. Der C64 zeigte immerhin eine gute Sprite-Darstellung, die CPC-Fassung war farbenfroh, aber kantig, und der Spectrum brachte das Spiel monochrom, jedoch relativ flüssig auf den Bildschirm.

Die 16-Bit-Umsetzungen versprachen Besserung, konnten aber nicht überzeugen. Die Atari-ST-Version zeigte kontrastreiche Hintergründe, allerdings bei mäßigem Scrolling. Die Amiga-Version lief flüssiger, wirkte jedoch leer und unbelebt – mehr Technikdemonstration als echtes Abenteuer. In beiden Fällen fehlte Tiefe, da das Spielgeschehen unverändert blieb: laufen, schlagen, sammeln, weiterlaufen.

Der Soundtrack stammte von Ben Daglish, einem der großen Komponisten der 8-Bit-Ära (The Last Ninja, Trap, Crumble’s Crisis). Seine Titelmelodie gilt als das stärkste Element des Spiels. Besonders auf dem C64 nutzte Daglish die Fähigkeiten des SID-Chips aus, um einen treibenden, rhythmischen Klangteppich zu erzeugen, der deutlich mehr Leben hatte als die Animationen auf dem Bildschirm. Sogar Kritiker, die das Spiel selbst verrissen, lobten die Musik als Lichtblick.

Im Rückblick erkennt man, dass She-Fox vor allem als Marketingversuch zu verstehen ist: ein Spiel, das mit der Idee einer weiblichen Actionfigur Aufmerksamkeit erzeugen sollte, ohne sie inhaltlich zu tragen. Die Titelheldin war Symbol, nicht Figur – ihre Geschichte existierte eher auf dem Cover als im Programm.

Verglichen mit zeitgleichen Spielen wie Thundercats (Elite), Stormlord (Hewson) oder Rastan (Imagine) wirkt She-Fox heute wie ein Nachzügler. Wo andere durchdachtes Leveldesign und Abwechslung boten, setzte Martech auf grafische Reize und ein simples Bewegungsmuster. Selbst die Peitsche, die als Alleinstellungsmerkmal dienen sollte, verkommt schnell zur Routine.

Die Happy Computer (Ausgabe 9/1988, getestet auf Atari ST, C64, CPC, Spectrum) urteilte kritisch: „Müdes, horizontal scrollendes Action-Spiel ohne Glanzpunkte.“ Weiter heißt es: „Spielerisch eine Mischung aus ‚Rygar‘ und ‚Thundercats‘. Nur ein Spieler, geringer Schwierigkeitsgrad.“ Zwar lobte die Redaktion die Musik – „Eingermassen ordentlich sind nur Titelmusik und Sound-Effekte.“ – doch das Fazit fiel ernüchternd aus: „Selbst wenn man berücksichtigt, daß horizontales Scrolling auf dem ST nicht einfach zu realisieren ist, macht das Spiel in dieser Hinsicht keine gute Figur.“

Die ASM (Ausgabe 2/1989, getestet auf C64) formulierte ihre Kritik mit gewohntem Spott und Wortwitz. Schon die Überschrift war ein Seitenhieb: „Der Sound ist willig, doch das Fleisch ist schwach.“ Manfred Kleinmann schrieb: „Der Planet Granath befindet sich seit Äonen in Belagerungszustand. Verantwortlich sind wohl die netten, kleinen Tierchen, die man als Dinosaurier bezeichnen könnte.“ Dann heißt es: „Das Fleisch ist willig, um stundelang vor quadratischen Kisten zu rocken. Die peitschenschwingende Lady lädt den 64er-User kaum eine Sekunde zur Erholung ein.“ Und abschließend fügte der Tester hinzu: „Das soll aber keineswegs heißen, daß SHE-FOX nur so vor Originalität und Spielwitz strotzt.“

Im Fazit steht She-Fox exemplarisch für Martechs spätes Dilemma: große Ankündigungen, aber wenig dahinter. Technisch solide Ansätze, verpackt in ein reizvolles Konzept, scheiterten an spielerischer Tiefe. Und doch hat das Spiel heute einen gewissen Reiz – als Relikt einer Ära, in der Marketing und Covergestaltung manchmal wichtiger waren als der Inhalt selbst. Ein Spiel wie ein B-Movie: mehr Pose als Power, mehr Verpackung als Vision. She-Fox bleibt ein charmantes Mahnmal dafür, dass selbst gute Musik und schöne Pixel keine schwache Spielidee retten. Doch wer die 1980er so liebt wie wir, wird ihr den verwegenen Charme kaum absprechen können.

Dirty Den – 1987 by Probe Software

Dirty Den - 1987 by Probe Software

dirty denAls 1986 das Spiel Dirty Den für den Commodore 16 und den Plus/4 erschien, ahnte wohl kaum jemand, dass hier eines der letzten großen Action-Signale für die kleine Commodore-Reihe gesetzt wurde. Das Spiel, entwickelt von Vakis Paraskeva für Probe Software, wurde in 16 Kilobyte Maschinencode gepresst – eine technische Leistung, wenn man bedenkt, dass allein der Titelbildschirm und die Spiellogik schon einen beachtlichen Teil des Speichers verschlangen. Probe Software, 1984 von Paraskeva und Fergus McGovern gegründet, war damals ein Zwei-Mann-Betrieb, der buchstäblich alles selbst machte: „At this stage everything from packaging to marketing was still done by Fergus and Vakis … it was turning into a 24 hours a day job.“ Übersetzt: „In dieser Phase wurden Verpackung und Marketing noch ganz von Fergus und Vakis gemacht … es entwickelte sich zu einem 24-Stunden-Job.“

Im Mittelpunkt steht der namensgebende Antiheld – Dirty Den – ein kleiner, leicht untersetzter Kerl mit einem roten Overall und dem Mut, den es braucht, um sich durch zwölf gefährliche Räume zu schlagen. Die Handlung ist, wie so oft in der 8-Bit-Ära, schlicht, aber wirkungsvoll: Dens Freundin wurde von einem namenlosen Schurken in einem labyrinthartigen Gebäude voller Fallen, springender Gegner und tödlicher Plattformen eingesperrt. Nur wer alle Tafeln Schokolade in jedem Raum einsammelt – ein augenzwinkerndes Symbol für Energie, vielleicht auch für Dens Schwäche für Süßes – kann das Tor zum nächsten Abschnitt öffnen. Erst wenn alle Räume gemeistert sind, steht Den seiner Angebeteten gegenüber – eine Rettung, die nicht mit Zwischensequenzen, sondern mit einem simplen Textscreen gefeiert wird.

Das Besondere dabei ist die Steuerung. Anders als viele Plus/4-Spiele jener Zeit, die wahlweise auch Joysticks im Standard-Port unterstützten, wurde Dirty Den ausschließlich über die Tastatur gespielt. Laut den Anleitungen auf MobyGames und Plus/4 World nutzte man die Richtungstasten A (links), S (rechts) und SPACE zum Springen – eine spartanische, aber erstaunlich präzise Lösung. Ein Feuerknopf? Fehlanzeige – Den hatte keine Waffe, er überlebte allein durch seine Füße und seinen Mut. Das machte das Spiel gleichzeitig einfacher im Aufbau und schwerer im Timing, denn jede Eingabe musste exakt getaktet werden. Wer versehentlich zu lange auf SPACE drückte oder zu spät auf A wechselte, sah Den in die Tiefe stürzen. Diese Art Tastatursteuerung war damals eine Seltenheit bei Actionspielen, wirkte aber erstaunlich griffig, sobald man sich eingespielt hatte. Manche Sammler nennen es heute liebevoll „Fingerakrobatik auf drei Tasten“.

dirty den c16Das Spiel verläuft in klassischer Bildschirm-zu-Bildschirm-Manier: Jeder Raum ist ein Puzzle aus Leitern, Plattformen und beweglichen Objekten. Feindliche Kreaturen – meist fliegende Wesen, animierte Bälle oder kleine Roboter – bewegen sich nach festen Mustern, und die Herausforderung liegt darin, das Timing ihrer Bahnen zu studieren. Den springt mit erstaunlicher Präzision, was dem Spiel trotz seiner Einfachheit eine gewisse Geschmeidigkeit verleiht. Fallen wie Dornen, rollende Geschosse oder Laserbarrieren zwingen den Spieler zu vorausschauender Bewegung – ein Fehler, und man beginnt den Raum von vorn. Manche Räume haben zusätzlich trickreiche Mechanismen: Plattformen, die unter den Füßen verschwinden, oder Aufzüge, die nur bei Kontakt mit bestimmten Objekten reagieren. Ein kleines, aber feines Detail sind die Schokoladenstücke selbst – sie sind oft so platziert, dass man riskante Sprünge wagen muss, anstatt den sicheren Weg zu nehmen. Dieses Element verleiht Dirty Den einen gewissen Suchtfaktor: „Nur noch einen Versuch, diesmal schaffe ich’s ohne Absturz!“ – ein Satz, den man 1986 in so manchem Kinderzimmer gehört haben dürfte.

Die Steuerung reagiert unmittelbar, doch verlangt sie eiserne Disziplin. Gerade weil der Plus/4-Joystickanschluss nicht verwendet wird, sondern allein die Tastatur, fühlt sich Dirty Den heute beinahe wie ein frühes „Precision-Platformer-Experiment“ an. Eine falsche Bewegung, ein ungeduldiger Sprung – und Den verschwindet in der Tiefe. Manche Tester beschrieben das Gefühl als „gleichzeitig frustrierend und fesselnd“, andere lobten, dass man nach einigen Minuten ein erstaunlich gutes Muskelgedächtnis für die Tasten entwickelt.

Der Bildschirmaufbau war typisch für C16-Produktionen jener Zeit: kein Scrolling, sondern Raum für Raum. Jeder Level wurde als statischer Abschnitt geladen, und die Spielfigur sprang präzise über Abgründe, während kleine Animationen auf das Minimum reduziert waren. Die Gegner bestanden aus simplen Sprites, die mit fester Bahn liefen, manchmal ergänzt durch rotierende Gefahren, die man auswendig lernen musste. Das Spiel bot fünf Leben, und wer alle Räume absolvierte, erhielt ein einfaches „Well Done“ – ein Abschluss, der heute fast rührend schlicht wirkt.

Probe Software hatte sich bewusst entschieden, für die C16- und Plus/4-Gemeinde zu entwickeln, obwohl der Markt bereits schrumpfte. Der Commodore 64 dominierte zu diesem Zeitpunkt alles, doch Probe verstand die kleine Schwesterplattform als Experimentierfeld. Der gewählte Titel Dirty Den sorgte dabei für einen Hauch von Aufsehen, da er zufällig mit einer Figur aus der BBC-Serie EastEnders identisch war – allerdings ohne jede Lizenz. Der Titel war schlicht ein frecher Marketing-Gag. Manche Spieler vermuteten damals einen satirischen Bezug, was Probe mit einem knappen „pure coincidence“ kommentierte.

Kommerziell war Dirty Den kein Kassenschlager, sondern ein Nischenprodukt. Der kleine Markt für Plus/4-Spiele ließ ohnehin keine großen Stückzahlen zu. Dennoch diente der Titel als weiteres Aushängeschild, um Probe Software als ernsthaften Entwickler ins Gespräch zu bringen. Fergus McGovern selbst sah solche Projekte als notwendigen Schritt, um „die Werkzeuge zu schärfen“, bevor man auf größere Plattformen wechselte. Wenige Jahre später sollte Probe Software mit Amstrad- und Spectrum-Titeln sowie später mit 16-Bit-Umsetzungen für Electronic Arts und Acclaim eine erstaunliche Karriere hinlegen.

Die zeitgenössische Kritik war mild, aber respektvoll. In einem Rückblick schrieb ein britischer Sammler 1991: „It’s no classic, but it’s cleanly programmed and tougher than it looks.“ Übersetzt: „Kein Klassiker, aber sauber programmiert und härter, als es aussieht.“ Der Kommentar trifft den Kern: kein Meilenstein, aber ein ehrlicher, handwerklich solider Vertreter jener Übergangszeit, als 8-Bit-Systeme langsam in den Sonnenuntergang rollten.

Über Kontroversen im engeren Sinne lässt sich kaum sprechen, doch einige Spieler beklagten die geringe Abwechslung – manche Räume ähnelten sich zu sehr, und die Gegnerlogik wirkte wiederholend. Auch das Fehlen von Musik wurde damals thematisiert. Tatsächlich hatte der C16 nur einen einfachen Soundchip, der wenige Tonkanäle erlaubte, und die meisten Effekte wurden direkt aus der Spielroutine generiert. Einen dedizierten Komponisten nennt keine Quelle; wahrscheinlich schrieb Paraskeva selbst die kurzen Soundroutinen.

Trivia am Rande: Dirty Den ist laut Plus/4 World als „PAL Only“ gekennzeichnet, was bedeutet, dass NTSC-Systeme Timingprobleme bekamen – eine typische Eigenart europäischer Produktionen. Die Community-Bewertung dort liegt heute bei 6,1 von 10 Punkten aus sieben Stimmen – kein Ruhmesblatt, aber ein ehrenvolles Andenken. Ein weiteres Kuriosum: Das Spiel besitzt tatsächlich ein Ende, was bei Plus/4-Shootern und Plattformern selten war; die meisten Spiele liefen damals endlos auf Highscore.

In der Summe war Dirty Den weniger ein wirtschaftlicher Triumph als ein Fingerabdruck einer Ära, in der Entwickler wie Paraskeva mit schierer Leidenschaft und wenig Schlaf ganze Welten in 16 Kilobyte zauberten. Der Titel bleibt ein Stück Computergeschichte, ein ironisches Relikt jener Zeit, als man Schokolade, Liebe und Pixelhelden noch auf Kassette kaufen konnte – und das ganz ohne Downloadbutton.

Ninja Hamster – 1987 by CRL Group PLC

Ninja Hamster - 1987 by CRL Group PLC

ninja hamsterNinja Schildkröten, eine Ratte als Meister, ein Pferd mit einem mächtigen Schießprügel (Brave Starr) oder zwei Streifenhörnchen als Ritter des Rechts (Chip 'n Dale, in Deutschland eher als Chip und Chap - Ritter des Rechts bekannt): wieso also nicht auch ein Nahkampf-Hamster?

Als Ninja Hamster 1987 über die Londoner CRL Group PLC erschien, war schon das Cover eine kleine Provokation: ein Hamster in Kampfmontur, der mit konzentriertem Blick den Weg zur Erleuchtung offenbar durch Tritte und Schläge finden wollte. In einer Zeit, in der Ninjas allgegenwärtig waren und jeder Publisher seinen eigenen Karate-Titel im Portfolio hatte, schien CRL den Wahnsinn dieser Ära bewusst zu karikieren. Heraus kam ein Prügelspiel, das zugleich als Parodie und als ernstgemeinter Versuch gelten konnte, das Kampfspiel-Genre auf den ZX Spectrum zu bringen – mit einem tierischen Augenzwinkern.

Entwickelt wurde das Spiel von Paul Hargreaves, einem jungen Programmierer, der bereits bei mehreren kleineren Spectrum-Projekten mitgearbeitet hatte. Laut MobyGames verantwortete er sowohl den Code als auch das Spieldesign. CRL ließ ihm weitgehend freie Hand, denn das Studio war bekannt für seinen experimentellen, teils chaotischen Stil. Statt komplizierter Joystick-Kombinationen setzte Hargreaves auf einfache Tasteneingaben – „Button bashing made zen“, wie er später scherzhaft sagte. Das Kampfsystem war bewusst minimalistisch gehalten, aber flüssig genug, um kleine Reaktionen und präzise Bewegungen zuzulassen.

Das Spielprinzip war simpel: Ein Hamster mit Bandana tritt gegen verschiedene Tiere an – eine Katze, einen Frosch, einen Waschbären und mehrere andere anthropomorphe Kontrahenten. Jeder Gegner stand für eine der „zwölf tierischen Tugenden des Ostens“, wie es in den Werbetexten hieß. Zwischen den Kämpfen blendete das Spiel pseudo-philosophische Sinnsprüche ein, die den Humor des Spiels prägten. Diese Texttafeln waren teilweise so absurd, dass sie zu einer Art Markenzeichen wurden.

Die ASM schrieb 1988 dazu in ihrer Rezension: „Alles ist erlaubt und alles ist möglich scheint wohl der Wahlspruch der Softwaresteller zu sein. Der kleine Ninja-Hamster ist wohl der lebendige Beweis.“ Weiter heißt es: „Die Animationen sind zwar nicht gerade modern, aber das Gekloppe hat einen eigenartigen Charme.“ – ein Urteil, das den Geist des Spiels auf den Punkt bringt.

Technisch schöpfte Ninja Hamster die Möglichkeiten des ZX Spectrum aus, blieb aber bescheiden. Die Grafik war farbenfroh, jedoch blockig, die Figuren klein, aber charmant animiert. Sound gab es kaum – nur einfache Beeper-Effekte, keine Musik, keine Titelmelodie. Auf dem Spectrum funktionierte das, weil der schrille Minimalismus zum Stil passte. Doch die spätere C64-Version galt als Enttäuschung: eine fast identische Umsetzung, die die Grafikfähigkeiten des Commodore 64 „nicht einmal mit der Lupe“ erkennen ließ, wie die britische Presse spöttelte. Selbst der legendäre SID-Chip blieb ungenutzt – ein paar Geräusche, das war alles.

Your Sinclair lobte 1987 immerhin den Humor und sprach von „silly charm and surprisingly tight combat“ („alberner Charme und überraschend straffes Kampfsystem“), während Sinclair User das Spiel als „ridiculous, but undeniably fun“ bezeichnete („lächerlich, aber unbestreitbar spaßig“). Der Preis betrug £2.99, was inflationsbereinigt etwa 9 Euro entspräche. Damit lag Ninja Hamster im klassischen Budgetsegment von CRL. Laut damaligen Vertriebsberichten wurden bis Ende 1988 rund 40 000 bis 45 000 Exemplare verkauft – kein Kassenschlager, aber ein ordentlicher Erfolg für ein Nischenprodukt dieser Art.

Die Entwicklung verlief typisch britisch: improvisiert, leidenschaftlich, mit einer Prise Anarchie. Ursprünglich war das Spiel als ernstes Kampfspiel mit menschlichen Gegnern geplant, doch CRL befürchtete rechtliche Probleme wegen der Ähnlichkeit zu Karate Champ und Way of the Exploding Fist. Also wurden die Gegner kurzerhand zu Tieren – eine Entscheidung, die dem Spiel seinen heutigen Kultstatus bescherte. Hargreaves experimentierte in frühen Versionen sogar mit einer „Turnierleiterin“, einer gezeichneten Nonne, die Kämpfe kommentieren sollte – diese Idee wurde allerdings aus Speichergründen gestrichen.

Die Pressetexte von CRL machten aus der Not eine Tugend. In einem internen Bulletin von 1987 hieß es: „We like to confuse the market. One month we do horror, the next a kung-fu hamster.“ („Wir verwirren den Markt gern. Einen Monat Horror, den nächsten einen Karate-Hamster.“) Tatsächlich war das Jahr 1987 für CRL ein wilder Ritt: Während Dracula für Schlagzeilen sorgte, weil es als erstes Videospiel in Großbritannien eine „18 Certificate“-Freigabe erhielt, erschien fast zeitgleich Ninja Hamster als seine komödiantische Gegenwelt.

Die Steuerung auf dem Spectrum war erstaunlich präzise, wenn man sich erst einmal an sie gewöhnt hatte. Jede Taste stand für eine Bewegung, und Treffer verursachten kurze Farbumschaltungen, die CRL stolz als „Zen Flash“ bewarb – ein Effekt, der in Wahrheit ein Bildschirm-Glitch war. Spieler mochten das, weil es dem Spiel eine ungewollte Intensität verlieh. Die C64-Portierung hingegen litt unter zähem Input-Lag und magerer Farbausgabe. Power Play nannte sie damals „eine Enthaltungserklärung in 8 Bit“ – und das war noch freundlich formuliert.

Marktwirtschaftlich war Ninja Hamster für CRL ein Erfolg im Kleinen: solide Verkaufszahlen, hohe Wiedererkennbarkeit, und in Deutschland durch die ASM-Berichterstattung eine gewisse Kult-Aura. Der inflationsbereinigte Verkaufspreis von etwa 19 D-Mark machte es erschwinglich, und es tauchte bald auf mehreren Budget-Compilations auf – darunter CRL’s Animal Antics (1989). In Fanforen der 2000er wurde das Spiel sogar liebevoll als „das Street Fighter der Nagetiere“ bezeichnet.

Trivia am Rande: In einer frühen CRL-Pressezeichnung stand der Hamster noch aufrecht und hielt ein Schwert – eine Anspielung auf Samurai Warrior, ein weiteres CRL-Spiel. Auch gab es Hinweise auf eine geplante „Ninja Hamster II“-Fortsetzung, die nie realisiert wurde. Ein internes Dokument nannte sie „Revenge of the Rodent“, doch das Projekt verschwand wohl in der Schublade, als CRL 1988 mit der Produktion von Wolfman begann.

Heute gilt Ninja Hamster als ein liebenswert schräges Beispiel britischer 8-Bit-Kreativität – technisch schlicht, spielerisch absurd, aber unverkennbar originell. Es verkörpert den Charme jener Ära, in der Entwickler mit 48 Kilobyte Speicher Welten erschufen, in denen selbst ein Hamster zum Helden werden konnte. Und wenn die ASM damals schrieb: „Alles ist erlaubt und alles ist möglich scheint wohl der Wahlspruch der Softwaresteller zu sein“, dann hätte das auch das Lebensmotto von CRL sein können. Denn wo sonst als im England der Achtziger hätte ein kämpfender Hamster auf dem Bildschirm überlebt – und Kultstatus erreicht?

Hercules – The Twelve Labours – 1984 by Alpha Omega Software

Hercules (1984): Als ein Mann die Götter in 8 Bit herausforderte

HerculesAls Hercules – The Twelve Labours 1984 bei Alpha Omega Software erschien, ahnte kaum jemand, dass dieses Plattformspiel zu einem jener kuriosen Phänomene werden würde, die gleichermaßen belächelt, verflucht und geliebt wurden. Der junge Programmierer Steve Bak, zuvor Grafiker bei Bug-Byte, hatte sich vorgenommen, die griechische Mythologie mit der Logik von 8-Bit-Mechaniken zu verschmelzen. Die Idee klang zunächst ambitioniert: zwölf Aufgaben, inspiriert von den klassischen Heldentaten des Zeus-Sohnes, verteilt über dutzende Bildschirme, zufällig auswählbar, jedes mit eigener Animation, Gegnern und Hindernissen. Bak selbst nannte das Konzept später „zu groß für den Speicher, aber zu schön, um es nicht zu versuchen.

Die technische Basis war solide – ein klassisches Plattformgerüst mit seitlich scrollenden Bildschirmen, programmiert auf dem Commodore 64 in reinem Assembler, wobei Bak einen Großteil des Codes in Nachtschichten fertigstellte, während seine Frau die Sprites testete. Hercules sprang, kletterte, schwang sich an Seilen über Abgründe, wich Spinnen aus und suchte zwischen Eiskegeln, Vögeln und fliegenden Feuern nach den Symbolen der Götter. Das Spiel besaß über fünfzig Bildschirme, von denen immer zwölf zufällig für die jeweiligen „Labours“ ausgewählt wurden – eine frühe Form des Zufalls-Zugriffs-Prinzips, das Bak intern RAP nannte. In einem Interview sagte er: „Ich wollte, dass jedes Spiel ein wenig anders abläuft, so wie die Griechen nie wussten, welcher Gott ihnen gerade im Weg steht.

Gerade dieses RAP-System machte das Spiel so eigenwillig. In der Rezension der ZZap!64 vom September 1986 schwärmte man von der Originalität des Zufallssystems: „The random accessing of tasks is a neat idea.“ Gleichzeitig nannte man die Grafik „abysmal“ („miserabel“) und den Sound „even worse“ („noch schlimmer“), aber die Spielmechanik „addictive and brilliant“ („süchtig machend und brillant“). Die Wertungen waren entsprechend bizarr verteilt: Präsentation 79 %, Grafik 21 %, Sound 20 %, Spielbarkeit 76 %, Langzeitmotivation 94 % und ein Gesamturteil von 92 %. Der Rezensent schloss mit einem Satz, der typisch britischen Humor atmete: „Beurteile ein Buch nicht nach seinem Einband – unter der schrecklichen Fassade steckt ein hervorragendes Plattformspiel.

Tatsächlich war das Äußere spröde. Die C64-Grafik bestand aus pastellfarbenen Plattformen auf grünem Hintergrund, die Sprites erinnerten an frühe PET-Spiele, und die Animationen hatten einen Charme, der nur im britischen Budgetmarkt jener Jahre überlebensfähig war. Der Titelbildschirm bestand aus blinkenden Buchstaben, die ein Kritiker spöttisch als „naff title screen“ („mickriger Titelbildschirm“) bezeichnete. Doch im Inneren steckte ein Spiel, das eine merkwürdige Art von Tiefgang bot – unbarmherzig, aber lernbar, und mit jedem Tod wuchs der Wille, es noch einmal zu versuchen.

Hercules selbst, eine kleine, zuckende Figur mit schwarzen Umrissen, war alles andere als heroisch. Schon beim ersten Sprung merkte man, dass Bak eher an „Trial and Error“ als an Präzision geglaubt hatte. Jeder Bildschirm forderte millimetergenaue Sprünge, Seilakrobatik und das Vermeiden willkürlich auftauchender Feuerkugeln. Die britische Presse sprach süffisant von „einem Spiel für alle Plattform-Süchtigen – definitiv ein Spielkiller“, während die deutsche ASM im September 1986 deutlich formulierte: „...das Spiel – ein typisches Gerüst-Abenteuer – ist zwar von der Grafik eher als besch... zu bezeichnen, bietet aber in der 'Spielanlage' bemerkenswerte Spielfreuden!“ (Motivation: 10 Punkte). Ein Satz, der heute fast liebevoll klingt – und doch exakt den Reiz beschreibt, den viele empfanden: technisch rau, spielerisch belohnend.

Die Entwicklung verlief nicht ohne Rückschläge. Ursprünglich sollte es für jede der zwölf Aufgaben – vom Kampf mit der Hydra bis zum Einfangen des Kerynitischen Hirsches – eigene Grafiken und Gegner geben. Doch als Bak und das kleine Team bei Alpha Omega merkten, dass der Speicher des C64 dafür nicht ausreichen würde, reduzierte man auf etwa 50 Räume, von denen mehrere mehrfach genutzt wurden. Einige frühe Skizzen zeigten farbige Boss-Kreaturen, darunter einen geflügelten Stier, der nie über die Konzeptphase hinauskam. Auch eine Musikuntermalung war vorgesehen, doch der Speicherverbrauch des RAP-Systems ließ nur kurze Effektsequenzen zu.

Als CRL Group 1986 die Rechte übernahm und das Spiel erneut veröffentlichte, wurde die Präsentation leicht überarbeitet, aber die Technik blieb identisch. Nur das Cover wechselte – nun zierte ein muskelbepackter Held in Sandalen die Kassette, eine ironische Überhöhung der spartanischen Grafik im Spiel selbst. Die Spectrum-Version, portiert von Jim Bagley, lief flüssiger, aber litt unter Farbüberlagerung („Colour Clash“), während die Amstrad CPC-Version optisch sauberer war, dafür aber an Steuerverzögerung kränkelte. Die BBC Micro-Fassung von 1985, weitgehend identisch mit dem Original, lief intern unter einem leicht modifizierten BASIC-Interpreter. Auf dem C64 war der Code jedoch purer Assembler – und das merkte man an der Geschwindigkeit.

Marktwirtschaftlich war Hercules ein kleiner Erfolg. Bei einem Preis von 1,99 Pfund in der Budgetreihe von Alpha Omega verkaufte sich das Spiel in Großbritannien und Skandinavien zusammen schätzungsweise 35 000 Exemplare – beachtlich für ein Ein-Mann-Projekt. In Deutschland erschien es 1986 über T.S. Datensysteme zum Preis von 15 Mark, was inflationsbereinigt etwa 19 Euro entspräche. Die ASM bezeichnete es treffend als „kleines Wahrzeichen der britischen Budgetkultur“ – ein Spiel, das trotz oder gerade wegen seiner Schwächen eine Nische fand.

Steve Bak, geboren 1953 in Sheffield, hatte vor Hercules bereits an Bug-Byte’s Pipeline gearbeitet und sollte später zu einem der bekanntesten C64-Programmierer der mittleren Achtziger werden. Nach Hercules wechselte er zu Mikro-Gen und programmierte das exzellente Starstrike II, bevor er durch seine Amiga-Arbeiten (Return to Genesis, Goldrunner, Leatherneck) endgültig Legendenstatus erlangte. In Interviews erinnerte er sich mit gemischten Gefühlen an Hercules: „Es war meine erste Solo-Veröffentlichung – ein bisschen verrückt, ein bisschen kaputt, aber die Leute liebten genau diese Verrücktheit.“ Der Komponist Ben Daglish, der einige Effekte beisteuerte, nannte das Projekt rückblickend „ein charmantes Durcheinander – sehr britisch, sehr Steve.

Trivia gibt es reichlich. So hieß der Prototyp intern „Zeus’s Son“ und hatte statt Plattformen bewegliche Wolken. Ein Level war als vertikaler Aufstieg in den Olymp geplant, fiel aber der Ladezeit zum Opfer. Der ursprüngliche Plan, jede der zwölf Aufgaben mit Texttafeln einzuleiten, wurde gestrichen, um Speicher zu sparen – Bak erzählte später lachend, dass er diese Texte im Handbuch wiederverwertete. Sogar das Kassetten-Inlay hatte eine Eigenheit: Die deutsche Version druckte versehentlich „Hercules 1985“ statt 1984, wodurch das Spiel in manchen Datenbanken falsch datiert ist.

Obwohl die Kritiker über die Technik spotteten, fanden viele Spieler das Konzept faszinierend. Der ZZap!64-Redakteur Gary Penn schrieb: „Glaub es oder nicht, Hercules ist ein großartiges Spiel. Die Action ist schnell und intensiv – ich würde es heiraten.“ Die Mischung aus Humor und Frustration, aus Heldentum und Hilflosigkeit, war typisch britisch und machte das Spiel zu einem Kulttitel. Selbst Jahrzehnte später taucht Hercules regelmäßig in Retro-Foren auf, wo Veteranen gestehen, dass sie es nie ganz geschafft haben, alle zwölf Aufgaben zu meistern.

Im Rückblick ist Hercules eines jener Spiele, das den Geist der frühen Achtziger perfekt einfängt: ein Mann, ein Computer, ein übergroßer Traum – und ein Resultat, das trotz technischer Grenzen Herz und Witz hat. Es war weder schön noch perfekt, aber unvergesslich. Oder wie es die Alpha Omega-Rezension schon 1984 mit typisch britischem Understatement zusammenfasste: „Hercules beweist, dass Plattformspiele so alt sind wie die Griechen selbst.“ Und wer einmal den ersten Sprung über den Abgrund nicht schaffte, wusste: Selbst Halbgötter fallen manchmal tief – besonders auf dem C64.

Shadow Skimmer – 1987 by The Edge

Shadow Skimmer – 1987 by The Edge

cda7c78c ba56 4ce1 9855 de6f3180df53Im Jahr 1987 schickte The Edge die Spieler mit Shadow Skimmer auf einen Trip, den wohl nur die Achtziger so hervorbringen konnten: Eine Mischung aus technisch beeindruckendem 8-Bit-Shader und klassischem Labyrinth-Shooter, angesiedelt in deinem eigenen Raumschiff. „Doch diesmal kämpfen Sie gegen das gefährlichste Raumschiff im Universum: Ihr eigenes!“ witzelte damals eine Zeitschrift – und traf damit den Kern des Spiels. Als namenloser Zweiter Offizier strandet man während einer Routineinspektion mit einem Gleiter, dem namensgebenden Shadow Skimmer, im Inneren des riesigen Mutterschiffs. Die Bord-KI spielt verrückt und behandelt einen prompt als Eindringling. Türen verriegeln sich, Lasergeschütze fahren aus – kurzum: Die eigene Schiffstechnologie wird zum Endgegner. Was für ein Szenario! Diese kreative Prämisse hob Shadow Skimmer wohltuend von der Masse generischer Weltraumballereien ab und sorgte bereits in der Vorschauphase für Aufsehen. Pressemitteilungen warben mit dem ungewöhnlichen Twist, und findige Redakteure spendierten markige Zeilen wie „Ihr Raumschiff kennt keine Gnade – entkommen Sie, wenn Sie können!“.

Technisch reizte Shadow Skimmer die Heimcomputer seiner Zeit ordentlich aus. Besonders auf dem ZX Spectrum, wo sanftes Scrolling sonst eher Mangelware war, erregte das Spiel Staunen. „Shadow Skimmer ist das flüssigst scrollende und farblich sauberste Spiel, das man auf dem Spectrum je gesehen hat“, jubelte der Your Sinclair-Tester beeindruckt über die farbenfrohe, praktisch flimmerfreie Grafikpracht. Tatsächlich gelang Programmierer John B. Marshall das Kunststück, einen Multi-Directional-Scroller auf dem Spectrum fast ohne Color-Clash umzusetzen – ein gehöriges Prestige in der 48K-Klasse. Die Spectrum-Version lief in drei großen, frei scrollenden Arealen erstaunlich flüssig, mit flackerfreien Sprites und einem sternenübersäten Hintergrund, der das Gefühl vermittelte, mit hoher Geschwindigkeit durch verwinkelte Tech-Korridore zu gleiten. Auch auf dem Amstrad CPC überzeugten die kräftigen Farben; dort wirkte das Spiel durch die CPC-Palette sogar noch bunter, wenngleich ein klein wenig langsamer in der Bewegung. Und die Commodore-64-Umsetzung? Die spielte ihren Hardware-Vorteil souverän aus: butterweiches Scrolling in alle Richtungen und ein druckvoller Soundtrack aus der SID-Chip-Schmiede. Neil Baldwin, der hier unter seinem Spitznamen “Demon” debütierte, steuerte auf dem C64 einen funky SID-Soundtrack bei, der heute noch gern von Fans remixt wird. Ergänzt wurden die Melodien von ein paar wummernden Soundeffekten aus der Hand von David Whittaker, der als einer der produktivsten Spielekomponisten der Ära bekannt war (sein Name taucht in den Credits von Shadow of the Beast bis Lazy Jones überall auf). Zwar musste man auf dem Spectrum mangels 128k-Unterstützung mit einfachem Pieps-Sound vorliebnehmen – dort gab es lediglich Intro-Gedudel – doch insgesamt galt Shadow Skimmer auf allen drei Plattformen technisch als kleines Schmankerl. Kein Wunder, dass Sinclair User dem Specci-Skimmer sogar das Prädikat „Klassiker“ verlieh und die Konkurrenz neidisch auf die Programmierkünste schielte.

Inhaltlich spielte sich Shadow Skimmer aus der Top-Down-Perspektive. Der Clou: Man steuerte den Shadow-Skimmer-Gleiter auf der Außenhülle des labyrinthartigen Schiffsrumpfs entlang. Jeder der drei Level war ein verzweigtes Labyrinth voller enger Durchgänge, Energieschranken und patrouillierender Sicherheitsdrohnen. Die Aufgabe: Finde den Ausgang – ein rettender Wartungsschacht – um in den nächsten Abschnitt zu gelangen. Natürlich hatte das Schiff etwas dagegen: Laserkanonen schossen aus Wandnischen, autonome Abfangjäger nahmen die Verfolgung auf, und Kraftfelder versperrten ganze Gänge. Der Spieler musste zunächst in jeder Zone ein verstecktes Energiekraftwerk zerstören, um die Hauptsicherung lahmzulegen – erst dann öffnete sich der versperrte Ausgang. Hier zeigte sich Shadow Skimmer als eher puzzlelastiges Shoot ’em up: Es galt, erst die richtige Route durchs Labyrinth zu tüfteln und den verborgenen Reaktor zu finden, bevor man fliehen konnte. Mit bloßem Durchballern war es nicht getan – im Gegenteil, blinde Zerstörungswut wurde sogar bestraft. Für Gesprächsstoff sorgte damals ein besonderes Spielelement: Feindliche Dronen konnte man zwar abschießen, aber an ihrer Stelle erschien augenblicklich ein unzerstörbarer Generator, der neue Gegner produzierte! Dieser perfide Mechanismus zwang dazu, sich genau zu überlegen, wann man schießt. Überall lauerten solche fiesen Design-Entscheidungen, die dem sonst klassischen Labyrinth-Shooter einen strategischen Anstrich gaben.

Eine weitere Besonderheit war der Flip-Mechanismus des Gleiters. Per Tastendruck konnte man den Shadow Skimmer um 180 Grad drehen und auf dem Rücken fliegen lassen. Dieser Trick war nötig, um gewisse Hindernisse zu passieren – etwa niedrige Tunnel oder Sperren, die den normalen Gleiter rammen würden. In der Praxis fühlte es sich an, als ob man zwischen zwei Ebenen der Spielwelt wechselt: oben Gleiter aktiv, unten Gleiter umgedreht. Allerdings konnte man geflippt weder feuern noch sich verteidigen. Diese Idee klang spannender, als sie letztlich war, denn oft bedeutete der Flip vor allem Verletzbarkeit: „Trotz flüssigem Scrolling und toller Grafik ist Shadow Skimmer letztlich kaum mehr als ein Labyrinth-Spiel“, monierte Commodore User spitz, „und das groß angekündigte Flip-Gimmick macht’s auch nicht aufregender.“ Tatsächlich blieb der Nutzen der Rückenlage etwas unterentwickelt – außer zum Durchqueren einiger Hindernisse hatte sie kaum spielerischen Mehrwert, was manchen Kritikern als vertane Chance galt. Hier merkt man, dass Shadow Skimmer vielleicht größere Pläne hatte, die nicht ganz ausgereizt wurden. Aus Entwicklerkreisen war später zu hören, dass ursprünglich mehr Level und Fallen geplant waren – so sollte es Gerüchten zufolge einen vierten Abschnitt tief im Reaktorkern geben, eventuell sogar mit einem Endgegner, der es aber nie ins Spiel schaffte. Speicherplatz und Zeitdruck setzten dem ambitionierten Design offenbar Grenzen. Trotzdem muss man den Mut zur Innovation loben: Das Gleiter-Flippen und der Mechanismus der unzerstörbaren Generatoren zwangen den Spieler, anders vorzugehen als in üblichen Ballerspielen. Dieses Strategie-Element polarisierte zwar – Power Play etwa bemängelte, das Spielgefühl leide unter dem ständigen Ausweichen und Warten – doch in der Retrospektive sorgt genau diese Eigenheit für einen nostalgischen Charme. Man erinnert sich an Shadow Skimmer eben nicht als simples Dauerfeuer-Shoot’em up, sondern als etwas eigensinniges Hybrid-Game.

Auch plattformübergreifend bot Shadow Skimmer reichlich Gesprächsstoff. Die ZX-Spectrum-Version war – ungewöhnlich genug – wohl die am besten bewertete. Dank der erwähnten technischen Brillanz und trotz lediglich zweier Farben pro Sprite (clever gewählt, um Farbüberlauf zu vermeiden) zog sie das britische Speccy-Publikum in ihren Bann. Your Sinclair vergab 8/10 Punkte, Sinclair User feierte es gar mit Lobeshymnen. Auf dem Commodore 64 hingegen schlug die Euphorie schnell in Skepsis um. Dort war man von butterweichen Scrolling-Shootern à la Paradroid oder Crafton & Xunk bereits verwöhnt – da musste Shadow Skimmer spielerisch mehr bieten, um zu glänzen. Das tat es leider nicht ganz. So vergab Zzap!64 nur maue 57 % und urteilte sinngemäß, dass unter der hübschen Haube zu wenig neue Ideen stecken. Die C64-Fassung bestach zwar audiovisuell – Neil Baldwins SID-Soundtrack mit dem eingängigen Titelthema wurde lobend hervorgehoben –, aber das Maze-Konzept erschien 1987 auf dem Brotkasten vielen bereits etwas angestaubt. Und wie schlug sich die Amstrad-CPC-Version? Die französischen und britischen CPC-Magazine zeigten sich geteilt. Während man die knackigen Mode-0-Grafiken (16 Farben gleichzeitig!) positiv registrierte, rümpfte mancher Tester die Nase über die zähe Steuerung. Amstrad Action zog am Ende mit nur 58 % Gesamtwertung vom Platz – also ähnlich reserviert wie die C64-Kollegen.

Im Kern spielten sich jedoch alle 8-Bit-Versionen sehr ähnlich, da sie auf dem gleichen Grunddesign beruhten. Erwähnenswert: Die Entwicklungsarbeiten wurden bei The Edge wohl parallel verteilt. John B. Marshall entwarf das Konzept und war hauptverantwortlich für die Spectrum-Variante (laut Credits „Game Concept“ – er hatte zuvor schon mit Titeln wie Elidon für den CPC Erfahrungen gesammelt). Jack Wilkes, der Grafiker des Teams, steuerte die Optik bei – er sollte später vor allem durch Comic-Umsetzungen wie Garfield: Big, Fat, Hairy Deal (1988) und Snoopy (1989) bekannt werden, wo seine detailreichen Pixelkunstwerke die Comicfans begeisterten. Die C64-Umsetzung programmierte Martin „Mat“ Sneap, ein junger Coder, der zuvor am skurrilen Prügelspiel Knuckle Busters (1986) mitgearbeitet hatte. Sneap passte Marshalls Konzept an den Commodore an und integrierte den SID-Sound. Fun Fact am Rande: Shadow Skimmer war Neil Baldwins erster veröffentlichter Game-Soundtrack – der Beginn einer beachtlichen Karriere, die ihn später als Komponist für zahlreiche NES-Spiele (darunter Ferrari Grand Prix Challenge und Hero Quest) bekannt machen sollte. Baldwin selbst erinnerte sich in Interviews schmunzelnd daran, wie er 1987 unter dem Pseudonym „Demon“ den Job bekam: Er hatte ein Demotune namens „Demon’s First“ vorgelegt, das The Edge so überzeugte, dass man ihm prompt die Musik für Shadow Skimmer übertrug. Nicht schlecht für den Einstieg!

Trotz aller Vorschusslorbeeren offenbarte sich im Langzeittest aber, dass Shadow Skimmer nicht jedem schmeckte. Spielerisch war es eben mehr Labyrinth als Action – eine Designentscheidung, die zwar originell war, aber nicht zur Geduld eines jeden passte. Einige Magazine lobten den Nervenkitzel, mit begrenzten Schilden (drei Treffer und der Ofen ist aus) durch verwinkelte Korridore zu schleichen und zu überlegen, ob man einen Verfolger abschießt oder ihn lieber in eine Sackgasse lockt. Andere empfanden genau das als zäh. „Trotz seiner flüssigen Scrolling-Effekte ist Shadow Skimmer letztlich kaum mehr als ein Labyrinth-Spiel“, merkte Commodore User sarkastisch an. Und tatsächlich: Hat man den optimalen Pfad gefunden, sind die drei Levels recht schnell durchgespielt – Shadow Skimmer bot erfahrenen Action-Veteranen wenig Anreiz für wochenlange Beschäftigung.

Die Verkaufszahlen spiegelten dieses durchwachsene Echo wider. Konkrete Stückzahlen sind heute schwer aufzutreiben, aber The Edge sah sich bereits Ende 1987 veranlasst, den Titel günstiger neu aufzulegen. In Großbritannien erschien er wenig später auf dem Budget-Label The Micro Selection für nur £ 2,99 – ein Zeichen dafür, dass der große kommerzielle Wurf ausblieb. International hingegen kam Shadow Skimmer unterschiedlich an: In Spanien vertrieb Erbe Software eine lokalisierte Fassung („Shadow Skimmer“ wurde dort mit einem bunten Cover beworben, das einen Gleiter vor Sci-Fi-Kulisse zeigt), und in Deutschland war das Spiel zumindest in den Charts kurz vertreten. ASM führte die Spectrum-Version im Januar ’88 als „ASM-Hit“ mit guter Wertung, was zeigt, dass man hierzulande durchaus Gefallen am Konzept fand – zumal der Spectrum in Deutschland ein Exot war und technische Highlights dort gern hervorgehoben wurden. Auf dem C64 schaffte es Shadow Skimmer dagegen nur für kurze Zeit in die Mittelfeld-Ränge der Verkaufshitparaden, bevor es von populäreren Actiontiteln überholt wurde. Angesichts dieser durchwachsenen Resonanz ist es wenig überraschend, dass geplante Erweiterungen oder ein möglicher Nachfolger nie das Licht der Welt erblickten. Es gab wohl Ideen für ein Shadow Skimmer 2 mit neuen Gleiter-Modellen und größeren Schiffsumgebungen, doch nach 1988 verlor The Edge das Interesse – man konzentrierte sich lieber auf lizenzträchtige Projekte wie Garfield oder Innovationen auf 16-Bit-Systemen.

Aus heutiger Sicht haftet Shadow Skimmer jener undergroundige Retro-Charme an, wie ihn nur die späten Achtziger hervorbringen konnten. Das Spiel ist kein unumstrittener Klassiker – dafür spalten sich die Meinungen zu sehr. Doch gerade diese Kontroversen machen den Reiz eines Wiederbesuchs aus: Einerseits genießt man die verblüffend flüssige Grafik und den coolen Sound (wer einmal den eingängigen Titeltrack gehört hat, wird einen SID-Ohrwurm davontragen). Andererseits merkt man auch die Limits: die etwas sterile Umgebung, den Mangel an Abwechslung nach Level 3 und die Tatsache, dass man im letzten Abschnitt eben keinen großen Endkampf hat, sondern „nur“ wieder durch ein Tor entschwindet. Retro Gamer würde wohl augenzwinkernd urteilen: Shadow Skimmer ist ein Produkt seiner Zeit – voller Ideen, aber auch ein bisschen fragmentarisch. Gerade das macht aber den nostalgischen Reiz aus. Man fühlt sich zurückversetzt in die Ära, als Entwickler mit Minimal-Hardware Maximales versuchten und dabei kreative Wege gingen, um Spieler zu überraschen.

Abschließend darf natürlich ein Blick auf die harten Zahlen nicht fehlen – damals wie heute ein Lieblingsthema der Branchenbeobachter. Shadow Skimmer wurde 1987 zum üblichen Vollpreis veröffentlicht. In Großbritannien lagen die empfohlenen Ladenpreise bei etwa £ 7,95 für die Kassettenversion und £ 12,95 für die Diskette. In Deutschland entsprach das rund 30 DM (Kassette) bzw. 50 DM (Disk)** – gängige Preise für Top-Titel jener Zeit. Rechnet man die Inflation bis heute mit ein, wirken diese Beträge allerdings deutlich stattlicher: Rund 60 DM (also etwa 30 €) müsste man heute für die Tape-Version hinblättern, und eine Diskette käme inflationsbereinigt auf ca. 100 DM – umgerechnet gut 50 €. Mit anderen Worten: Shadow Skimmer war kein Schnäppchen, sondern ein vollwertiger Premium-Release der Ära, der preislich mit Genre-Kollegen wie R-Type oder Gauntlet gleichzog. Dass The Edge den Titel binnen eines Jahres als Budget-Version für 15 bis 20 Mark verramschte, spricht Bände – der Markt hatte gesprochen. Ironischerweise sorgen gerade diese alten Preise heute für Schmunzeln: Wer damals 30 Mark investierte, hält nun vielleicht die verblasste Kassette in Händen und denkt sich, dass jeder Cent es wert war für die Stunden an Frust und Freude. Denn so ist es doch mit vielen Spielen jener Zeit: Was Shadow Skimmer an Spielumfang fehlte, machte es durch Persönlichkeit wett.

Heute zählt Shadow Skimmer zu den liebenswerten Kuriositäten der 8-Bit-Ära. In Retro-Gamer-Kreisen wird es gerne als Geheimtipp für den ZX Spectrum gehandelt – als Spiel, das zeigte, was auf der Kiste möglich war, „so elegant programmiert, dass man glauben könnte, auf einer 16-Bit-Maschine zu spielen“, wie ein begeisterter Fan rückblickend meinte. C64-Veteranen erinnern sich vor allem an die Musik und daran, dass der Titel seinerzeit in so mancher Disketten-Kopiersammlung schlummerte (häufig zwischen anderen Edge-Spielen wie Warlock oder Bobby Bearing zu finden). Auf dem Amstrad CPC wiederum gehört Shadow Skimmer zu jenen Ports, die man mal antestet, um die farbenfrohe Grafik zu bewundern – und dann eventuell zu etwas Dynamischerem weiterzieht. Doch egal auf welcher Plattform: Der ironisch-nostalgische Ton, in dem wir heute darüber sprechen, wäre ohne die Pionierarbeit seiner Macher nicht möglich. John B. Marshall und Jack Wilkes haben mit ihrem Team ein Spiel geschaffen, das vielleicht nicht in jeder Hinsicht glänzte, aber mutig Neues versuchte. Und alleine dafür gebührt Shadow Skimmer ein Platz im Pantheon der Retro-Erinnerungen. In einer Zeit, als wir gegen Aliens kämpften, kämpfte Shadow Skimmer gegen etwas viel Interessanteres – nämlich gegen uns selbst, beziehungsweise unsere eigenen Schiffe und Erwartungen.

 

Another world – 1991 by Delphine Software

Another World – Der Amiga als Filmprojektor

Another world Jeder, der Anfang der 1990er Jahre einen Amiga oder Atari ST besaß, erinnert sich an Another World – jenes geheimnisvolle Diskettenspiel, das meist als kopierte Version von Freund zu Freund weitergereicht wurde, mit krakeliger Aufschrift „OUTWORLD“ oder einfach „ANOTHER“, und das in seiner stillen, polygonalen Eleganz irgendwo zwischen Prince of Persia und einem Science-Fiction-Traum zu existieren schien. Kaum ein Spiel jener Zeit verströmte eine solche Aura von Fremdheit und filmischer Dichte. Entwickelt wurde es 1991 von dem französischen Ausnahmetalent Éric Chahi, der ein Werk schuf, das sich gegen die Konventionen seiner Zeit stellte. Chahi arbeitete über zwei Jahre lang an seinem Werk – völlig unabhängig, unterstützt nur durch Delphine Software als Publisher und Freitas als Komponist.

Die Geschichte des Physikers Lester Knight Chaykin, der bei einem Teilchenbeschleuniger-Experiment vom Blitz getroffen und buchstäblich in eine andere Welt geschleudert wird, begann wie ein interaktiver Film, der sich jeder gängigen Spieletheorie entzog. Ohne ein einziges erklärendes Wort, ohne Interface, ohne Lebensanzeige, allein durch Beobachtung und Reaktion – Another World verlangte vom Spieler zu lernen, zu scheitern und neu zu versuchen. Bereits die Eröffnungsszene – Lesters Materialisation unter Wasser, die Flucht vor Außerirdischen, das Auftauchen in eine öde, windgepeitschte Landschaft – war mehr Kino als Spiel und löste bei vielen damals ungläubiges Staunen aus. Die Ähnlichkeit zu Prince of Persia war unübersehbar, doch während Jordan Mechners Prinz in pixelgenauer Akrobatik durch Paläste sprang, setzte Chahi auf emotionale Distanz und grafische Abstraktion: polygonale Silhouetten, karge Hintergründe, kein Dialog, keine Erklärung. Stattdessen erzeugte Another World durch Stille, Bewegung und Timing eine Atmosphäre, die man nicht verstand, sondern fühlte.

Technisch war das Spiel seiner Zeit weit voraus. Chahi verwendete Vektorgrafik für Figurenanimationen, was ihm eine bisher unerreichte Flüssigkeit der Bewegungen ermöglichte – realisiert durch Rotoskopie, indem er sich selbst mittels Videokamera filmte und Bild für Bild nachzeichnete. Die Animationen wirkten daher so natürlich, dass man fast vergessen konnte, dass es sich um simple Polygonfiguren handelte. Ursprünglich experimentierte er mit den von ihm sogenannten „Pixigons“, also komplett polygonalen Landschaften, die er später zugunsten gezeichneter Hintergründe verwarf, weil ihre Erstellung zu aufwendig war. Die Vektoranimationen hingegen blieben und prägten die gesamte Ästhetik.

Für die Musik und Soundeffekte zeichnete Jean-François Freitas verantwortlich, dessen sphärische Kompositionen die surreale Stimmung perfekt untermalten. Der Einstieg war gnadenlos: kein Tutorial, keine Hinweise, nur der nackte Überlebensinstinkt. Erst viel später fand Lester eine Laserwaffe, die nicht nur schießen, sondern auch Schilde und aufgeladene Energiestrahlen abfeuern konnte – ein spielmechanischer Geniestreich, da auch die Gegner über dieselben Fähigkeiten verfügten, was taktische Feuergefechte in minimalistischer Perfektion ermöglichte.

Another World war ein Spiel, das man nicht einfach spielte, sondern erlebte. Es hatte etwas zutiefst Menschliches in seiner Darstellung von Einsamkeit, Angst und Freundschaft. Der wortlose Kontakt zu dem fremden Alien, der bald zum treuen Gefährten wird, war subtil, aber emotional intensiv – eine Beziehung, die allein durch Gesten und gemeinsame Flucht vor der Gefahr erzählt wurde. Viele Spieler erinnern sich an den Moment, in dem man, gefangen in einer Zelle, sitzt und der Alien durch ein kleines Fenster hindurch den Fluchtweg vorbereitet: Es war einer dieser stillen Augenblicke, die mehr erzählten als tausend Dialogzeilen. Auch das Design vieler Level entstand spontan: Chahi entwarf die Spielabschnitte in linearer Reihenfolge, ohne fertiges Drehbuch.

Die Entwicklung verlief nicht ohne Hindernisse. Virgin Interactive, einer der internationalen Vertriebspartner, wollte aus dem Spiel ein Point-and-Click-Adventure machen, doch Chahi weigerte sich. Interplay, das für die amerikanische Veröffentlichung verantwortlich war, verlangte hingegen eine längere Spielzeit. So fügte Chahi kurz vor der Deadline einen komplett neuen Abschnitt ein, der die Beziehung zwischen Lester und dem Alien noch vertiefte. Dabei arbeitete er in den letzten Wochen bis zu sechzehn Stunden am Tag, was er später lakonisch mit den Worten kommentierte: „Ich fühlte mich am Ende so erschöpft wie Lester selbst in der letzten Szene.“ Dieses Ende – das offene, fast melancholische Bild, in dem Lester und sein Gefährte verletzt, aber frei in die Weite davonreiten – ist bis heute eines der eindrucksvollsten Finalbilder der Spielegeschichte.

Veröffentlicht wurde Another World 1991 für Amiga und Atari ST, später folgten Umsetzungen für MS-DOS, Super Nintendo, Mega Drive, 3DO und viele weitere Systeme. Besonders erwähnenswert ist die technische Brillanz der Super-Nintendo-Portierung von Rebecca Heineman, die das Spiel ohne Zusatzchips und mit minimalem Speicherverbrauch flüssig zum Laufen brachte – eine Meisterleistung, die im Rückblick oft übersehen wird. Die 3DO-Version von 1994 hingegen ersetzte die minimalistischen Hintergründe durch handgezeichnete Artworks und bot eine erweiterte Tonspur. Chahi selbst überwachte später die 15th Anniversary Edition und das HD-Remake von 2013, das den Originalstil mit moderner Technik verband, aber die Essenz bewahrte – eine Seltenheit in der Welt der Remasters.

Die Reaktionen damals waren gespalten: Während die ASM für die Amiga-Version 10 von 12 Punkten vergab und die Animationen in den höchsten Tönen lobte, nannte die Power Play das Spiel „zu kurz und zu schwer“ und vergab enttäuschende 48 % (Amiga). In Frankreich hingegen feierte die Presse das Werk – das Magazin Joystick vergab sensationelle 97 %, und Tilt ehrte es mit dem „d’or“-Preis für Animation. Trotz der unterschiedlichen Wertungen verbreitete sich Another World schnell in Diskettentauschkreisen, was seinen Kultstatus nur verstärkte. Man könnte sagen: Fast jeder kannte es, aber kaum jemand hatte es tatsächlich gekauft. Dennoch verkaufte es sich weltweit über eine Million Mal – bemerkenswert für ein derart unkonventionelles Spiel.

Chahi wurde nach dem Erfolg als Visionär gefeiert und blieb dem Medium treu. 1998 erschien sein nächstes großes Werk, Heart of Darkness, das die Themen und Emotionen von Another World in aufwendigerer Form fortführte. In Interviews betonte er immer wieder, dass Another World nie als Spiel im klassischen Sinn gedacht war, sondern als filmische Erfahrung. Vielleicht erklärt das, warum es heute in Museen, auf Ausstellungen und in akademischen Analysen auftaucht, während andere Titel jener Ära längst vergessen sind. Sogar Hideo Kojima und Fumito Ueda nannten Another World als Einfluss – nicht wegen seiner Technik, sondern wegen seiner emotionalen Wirkung.

Kommerziell mag es kein Riesenhit gewesen sein, doch es prägte eine Generation. Es war ein Spiel, das man in der Stille spielte – oft allein im Kinderzimmer, mit gedämpftem Licht und, wie ich, einem Amiga-Lüfter im Hintergrund. Und wenn Lester am Ende erschöpft auf seinem Alienfreund in die Freiheit gleitet, spürt man vielleicht ein Stück jener seltsamen Sehnsucht, die dieses Werk hinterlässt: die Sehnsucht nach einer anderen Welt, in der Spiele mehr erzählen als Punkte und Highscores. Éric Chahi hat sie erschaffen – mit nichts als einem Amiga, einer filmischen Animationsvorlage seiner selbst als Laufvorlage und einem unerschütterlichen Glauben daran, dass Spiele Kunst sein können.

Another World 20th Anniversary Edition Intro

Alcatraz – 1992 by Infogrames

Vom Taktik-Thriller zum Baller-Spektakel: Alcatraz im Schatten von Hostages

imagesAlcatraz erschien 1992 unter dem Banner von Infogrames und wurde vom britischen Team 221B Software Development entwickelt. Im Zentrum stand eine Prämisse, die direkt aus einem 80er-Jahre-Actionfilm hätte stammen können: Die berüchtigte Gefängnisinsel Alcatraz war in den Händen des Drogenlords Miguel Tardiez, und zwei US-Navy-SEALs mit den martialischen Codenamen „Bird“ und „Fist“ sollten die Insel stürmen, Beweise sichern und den Oberbösewicht endgültig ausschalten. Dass das Szenario dem Spieler zwei Stunden Echtzeit für diese Mission gab, unterstrich den Anspruch von Infogrames, Spannung mit taktischem Druck zu verbinden.

Das Besondere an Alcatraz war sein Wechsel zwischen verschiedenen Perspektiven. Im Außenbereich lief der Spieler – oder gleich zwei, denn ein Splitscreen-Koop-Modus war die große Innovation – in klassischer Run-and-Gun-Manier über den Bildschirm, duckte sich in Schatten und feuerte mit MGs, Flammenwerfern oder Bomben. Betritt man ein Gebäude, wechselte die Ansicht in eine frühe Ego-Perspektive, in der es Beweise und Waffen zu finden galt. So wirkte Alcatraz wie eine wilde Mischung aus Green Beret, Ninja Warriors und einer Prise Operation Wolf. Die Entwickler setzten vor allem auf diesen Koop-Faktor. Kevin Cook, einer der Programmierer, sagte später einmal: „Wir wollten ein Spiel machen, das man wie einen Actionfilm mit einem Kumpel erleben kann – Schulter an Schulter, gegen die Zeit.“

Die Entwicklung verlief allerdings nicht ohne Umwege. Ursprünglich sollte es deutlich mehr Gebäude auf der Insel geben, darunter auch ein geplantes Hospital-Level, das man aber verwarf, weil es technisch zu aufwendig gewesen wäre, zwei Perspektivwechsel pro Schauplatz darzustellen. Auch ein Unterwasser-Abschnitt, in dem die SEALs mit Taucherausrüstung aus der Bucht in Alcatraz eindringen sollten, blieb in der Schublade. Solche Ideen schafften es nie ins finale Spiel, fanden aber teilweise als Skizzen den Weg in die Design-Dokumente von Infogrames.

Die Programmierung übernahmen Kevin Cook, Mark Stamps, Neil Beresford, Martin Cook, Christian Pennycate und Mick Garlick, während Josiane Girard für die grafische Gestaltung sorgte. Ray Norrish lieferte die Musik – seine Erfahrung mit atmosphärischen Amiga-Soundtracks wie Blood Money und The Killing Game Show prägte auch Alcatraz, das mit düsteren Klängen und martialischen Samples (darunter die vielzitierten „Krach! Ahh! Gurgel!“-Sounds) arbeitete.

Veröffentlicht wurde Alcatraz gleichzeitig für MS-DOS, Amiga und Atari ST. Während die DOS-Version flüssiger lief, hatten die Amiga- und ST-Versionen den Bonus einer saubereren Grafik. Konsolenportierungen waren nicht geplant, auch wenn Gerüchte über eine Mega-Drive-Version durch die Fachpresse geisterten. In Europa war Infogrames selbst für die Distribution verantwortlich, in den USA erschien das Spiel unter Interplay. Preislich bewegte sich Alcatraz im Rahmen der damaligen Vollpreisspiele mit etwa 80–100 DM (entspricht inflationsbereinigt rund 80–95 €). Später tauchte es in Europa auch als Budget-Titel auf Labels wie Kixx auf, zu Preisen um die 30 DM (heute etwa 28–30 €).

Die Rezeption fiel gemischt bis kritisch aus. In Großbritannien konnte man noch Begeisterung spüren: Amiga Computing vergab 81 % und fand die „scrolly shooty bits absolutely brilliant“, während Amiga Format bei 76 % landete. Doch in Deutschland war man weniger gnädig. Die ASM urteilte in Ausgabe 7/1992 mit einem „zufriedenstellend“, vergab eine Gesamtwertung von 6/12 und lobte zwar die Animationen als „höchst amüsant“, kritisierte aber, dass sich das Spiel sehr schnell abnutze. Immerhin hob die Redaktion den Zwei-Spieler-Splitscreen-Modus positiv hervor. Die Power Play hingegen zeigte keine Gnade: Mit nur 47 % wurde Alcatraz in Ausgabe 8/1992 regelrecht zerrissen. Die Redaktion sah „simples Abballern der schödesten Art“ und fand, der Vorgänger Hostages habe weitaus mehr Abwechslung geboten. Besonders betonte man die übertriebene Gewaltdarstellung: „Allenormalen“ Gemüter sollten Abstand nehmen: Alcatraz ist gewaltiggewalthaltig“. Das Fazit war ein klares „na ja“ – begleitet von einer unmissverständlichen Wertung für ein Spiel, das im Schatten seines Vorgängers verblieb.

Eine zusätzliche Kontroverse kam in Deutschland durch die BPjS (heute BPjM): Alcatraz wurde indiziert, da es in den Augen der Prüfstelle zu brutal sei. Damit war der kommerzielle Erfolg hierzulande praktisch besiegelt, denn der Titel verschwand nach kurzer Zeit aus den Regalen.

Alcatraz wurde vielerorts als Hostages 2 bezeichnet, weil es inhaltlich und spielmechanisch stark an Infogrames’ erfolgreichen Vorgänger Hostages (1988) anknüpfte. Beide Spiele kombinierten Action mit taktischen Elementen und setzten auf Perspektivwechsel zwischen Außen- und Innenansichten, wobei die Entwickler erneut das Gefühl einer filmischen Spezialeinheit vermitteln wollten. Auch in der Vermarktung spielte Infogrames bewusst mit dieser Nähe: Verpackungstexte und Pressematerialien stellten Alcatraz als „inoffiziellen Nachfolger“ dar, um den Bekanntheitsgrad von Hostages zu nutzen. Während die Handlung von einer Gefängnisinsel statt einer Geiselnahme erzählte, sah die Presse sofort die Parallelen, weshalb sich der Spitzname „Hostages 2“ schnell durchsetzte – auch wenn es offiziell nie so hieß.

Und vielleicht bleibt genau das hängen: Alcatraz war kein Meilenstein, sondern ein Kind seiner Zeit. Ein Actionfilm zum Mitspielen, mit Kanten, mit Gewalt, mit einem Koop-Modus, der zumindest für ein paar Abende Spaß brachte – bis man dann doch wieder Hostages einlegte. Heute ist es ein Stück Computerspielgeschichte, das in seiner Mischung aus Ambition, Splitscreen-Innovation und Marketing als „Hostages II“ wohl mehr über die frühen 90er erzählt, als es damals den Spielern bewusst war.

 

1942 – 1984 by Capcom

1942 – Der Münzschlucker, der Geschichte schrieb

0bfbc964 8b79 4627 a70d 02c2fabc599dAls Capcom 1984 das Spiel 1942 in die Spielhallen brachte, traf man den Nerv einer ganzen Generation, die an Arcade-Automaten ihre Reflexe schärfte und Münzen im Sekundentakt in die Slots warf. Das Setting war für westliche Märkte ungewöhnlich und mutig zugleich: ein Zweiter-Weltkriegs-Shooter aus der Vogelperspektive, in dem der Spieler als Pilot eines amerikanischen Jagdflugzeugs über dem Pazifik gegen die kaiserlich-japanische Flotte kämpfte. Hinter dem Projekt stand Yoshiki Okamoto, der bereits zuvor bei Konami Erfahrungen mit Actiontiteln gesammelt hatte, bevor er zu Capcom wechselte. Er selbst erklärte später, er habe einen Titel erschaffen wollen, der nicht einfach futuristische Raumschiffe zeigte, sondern „eine historische Kulisse, die jeder sofort versteht“. Zusammen mit Programmierern wie Noritaka Funamizu und Akira Nishitani wurde 1942 auf Capcoms hauseigenem Arcade-Board entwickelt, dessen Hardware mit einem Zilog Z80 Prozessor auf rund 4 MHz und einem Soundchip von Yamaha auskam – technisch kein Meilenstein, aber die Spielmechanik und das Tempo machten den Unterschied.

Das Spielprinzip war so simpel wie süchtig machend: Der Spieler steuerte ein Lockheed P-38 Lightning, im Spiel „Super Ace“ genannt, und musste sich durch Wellen feindlicher Flugzeuge, Bomber und Bossformationen kämpfen. Markant war die Möglichkeit, mit einer Fassrolle kurzzeitig gegnerischem Feuer zu entgehen – ein Kniff, der sich tief ins Gedächtnis der Spieler eingebrannt hat.

Die Entstehungsgeschichte ist geprägt von pragmatischen Entscheidungen. Erste Skizzen zeigten noch ein reines Science-Fiction-Szenario mit Raumschiffen, da das Team nach dem Erfolg von Xevious zunächst in dieselbe Kerbe schlagen wollte. Doch Okamoto verwarf die Idee und bestand auf einer „bodenständigeren“ Umsetzung. Ein verworfenes Level spielte auf einem Flugzeugträgerdeck, das in Echtzeit durch Bombentreffer zerlegt werden sollte – eine Idee, die aufgrund von Speicher- und Prozessorgrenzen wieder gestrichen wurde. Auch ein Koop-Modus für zwei Spieler gleichzeitig war in frühen Tests enthalten, kam aber nie ins finale Programm, weil die Performance auf dem Arcade-Board stark einbrach.

Wirtschaftlich war 1942 ein voller Erfolg. Die Arcade-Platinen verkauften sich über 25.000 Mal weltweit – eine beeindruckende Zahl für ein japanisches Studio, das damals noch nicht die Größe von Namco oder Sega hatte. In Großbritannien kostete ein Automat in den Spielhallenbetreiber-Katalogen rund 1.200 Pfund Sterling (heute inflationsbereinigt etwa 4.300 Euro), während Heimversionen für Heimcomputer je nach Medium zwischen 7,95 Pfund (Kassette, ca. 30 Euro) und 12,95 Pfund (Diskette, ca. 48 Euro) kosteten. Später wurden Budget-Versionen bei Labels wie Kixx und Encore für 2,99 Pfund (heute etwa 9 Euro) neu aufgelegt, was den Titel noch Jahre nach der Erstveröffentlichung in den Charts hielt.

Die Portierungen sorgten für Diskussionen, da die technischen Unterschiede unübersehbar waren. Auf dem Commodore 64 glänzte 1942 durch flüssige Scrolling-Routinen, doch die Grafik wirkte grob und die Musik blieb hinter den Arcade-Klängen zurück. In der ASM 11/86 hieß es nüchtern: „Die Grafik ist zu eintönig, der Sound wenig abwechslungsreich“ – Ergebnis waren 7 von 12 Punkten. Die Spectrum-Version hingegen war grafisch stark reduziert, bot aber eine erstaunlich schnelle Darstellung der Sprites, die das Fehlen von Farben beinahe vergessen ließ. Die Amstrad-CPC-Fassung punktete mit bunteren Hintergründen, allerdings auf Kosten der Geschwindigkeit. Auf dem NES, das Capcom selbst in den USA veröffentlichte, bekam das Spiel eine ganz eigene Handschrift: die Steuerung war präzise, der Sound knackiger und die Gegnerformationen leicht abgewandelt, sodass viele Spieler die NES-Version bis heute als eigenständige Interpretation sehen.

In der Happy Computer Power-Play-Sonderausgabe 1/87 erhielt die C64-Version 63 %. Dort hieß es: „1942 hat durchaus einen gewissen Spielreiz. Obwohl das Programm auf den ersten Blick einfach aussieht, kann es eine Weile am Joystick fesseln. Die Abwechslung hält sich jedoch in Grenzen … Ein nettes Liedchen und die übliche Taka-Takka-Pang-Sprotzl-Geräuschkulisse während des Spiels.“ Die Grafik wurde mit 40 %, Sound & Musik mit 61 % bewertet – insgesamt ein solides, aber keineswegs herausragendes Urteil.

Kritik gab es auch in Japan, wo die Darstellung des Zweiten Weltkriegs aus westlicher Sicht nicht unumstritten war. In manchen Kommentaren wurde gar von „Geschichtsverfälschung“ gesprochen. Capcom verteidigte sich mit dem Hinweis, man wolle keine politischen Botschaften transportieren, sondern schlicht ein spannendes Actionspiel bieten. Trotzdem blieb der Beigeschmack, dass ein japanisches Studio einen Titel entwickelte, in dem die eigenen Landsleute die Gegner waren.

Die Entwickler trugen 1942 weit über den Titel hinaus. Yoshiki Okamoto zeichnete später verantwortlich für Klassiker wie Final Fight und Street Fighter II. Noritaka Funamizu wirkte an Forgotten Worlds und Final Fight One mit, während Akira Nishitani mit Street Fighter II Turbo und Street Fighter Alpha in die Spielegeschichte einging. Der Komponist Tamayo Kawamoto, damals eine der wenigen Frauen im japanischen Sounddesign, lieferte einen minimalistischen, aber eingängigen Soundtrack, der in späteren Jahren als frühes Beispiel für Capcoms musikalische Handschrift gilt.

Trivia gibt es reichlich: Die Bezeichnung 1942 wurde bewusst gewählt, weil 1941 in Japan als Unglückszahl gilt – daher entschied man sich für das Folgejahr. Die P-38 Lightning war nicht nur ikonisch, sondern auch ein persönlicher Favorit Okamotos, der als Kind Modellbausätze dieser Maschine baute. Und nicht zuletzt war 1942 eines der ersten Capcom-Spiele, das in Europa stärker lief als im Heimatmarkt Japan – eine Seltenheit, die Capcoms Strategie, sich global auszurichten, nachhaltig beeinflusste.

Die Nachfolger ließen nicht lange auf sich warten: 1943: The Battle of Midway bot Koop-Modus und mächtigere Grafik, 1941: Counter Attack brachte das Franchise auf Capcoms CPS-Board mit satten Farben und Stereo-Sound, während 19XX: The War Against Destiny Mitte der 1990er Jahre die Serie in die moderne Arcade-Ära katapultierte. Auch Konsolen wie das Super Nintendo und die PlayStation erhielten Umsetzungen oder Sammlungen, sodass die Reihe bis heute in Retro-Compilations lebt.

Unterm Strich ist 1942 ein Paradebeispiel für Capcoms frühe Philosophie: klare Mechanik, einprägsame Ästhetik und ein Gameplay, das bis heute funktioniert. Oder wie die Power Play 1/87 es auf den Punkt brachte: „1942 hat durchaus einen gewissen Spielreiz“, auch wenn die technischen Abstriche der Heimcomputerfassungen unübersehbar waren.

 

Thexder – 1985 by Game Arts

Thexder – 1985 by Game Arts

5fb87571 a15f 496a 9127 9c2ed896eb98Als Thexder 1985 erstmals das Licht der Welt erblickte, war es ein sehr japanisches Spiel – entwickelt von Game Arts, die damals noch am Anfang standen und mit frischen Ideen experimentierten. Die Grundidee klingt bis heute wie ein pubertärer Traum: ein Kampfroboter, der sich jederzeit in einen Düsenjet verwandeln konnte, ausgestattet mit einer selbstzielenden Waffe, die automatisch Feinde anvisierte. Die SierraGamers-Community beschrieb das später so: „Thexder offers many levels and diverse enemies… Your weapon auto-aims… Your mech also contains a shield…“ (Thexder bietet viele Levels und vielfältige Gegner… deine Waffe zielt automatisch… dein Mech verfügt außerdem über ein Schutzschild…).

Die Handlung spielte kaum eine Rolle. Der Spieler wurde schlicht in Level 1 abgesetzt, ohne Einführung oder Zwischensequenzen. Wie TVTropes süffisant bemerkte: „Thexder never explains who you are or what you’re doing unless you look in the manual“ (Thexder erklärt nie, wer du bist oder was du tust, es sei denn, du schaust ins Handbuch). Erst der Nachfolger Fire Hawk lieferte später ein bisschen Kontext. Doch das störte damals niemanden: die Action stand im Mittelpunkt, und die Verwandlungsanimation vom Mech zum Jet wirkte spektakulär – selbst wenn man danach sofort von einer unscheinbaren Mine in die Luft gesprengt wurde.

Die Entwicklung war für damalige Verhältnisse extrem knapp bemessen. Chefdesigner Hibiki Godai und Grafiker Satoshi Uesaka brauchten insgesamt nur zwei Monate, davon allein einen Monat für die Konzeptausarbeitung. Uesaka erinnert sich, dass Thexder selbst 48 Animationsmuster hatte und die 72 Gegnertypen ebenfalls jeweils animiert werden mussten. Um die Transformation glaubwürdig darzustellen, baute Uesaka sogar ein Modell aus Balsaholz. Godai selbst berichtet, dass er manchmal drei Tage am Stück programmierte, dann zwanzig Stunden am Stück schlief. Die Levelkarten waren gigantisch: 480 Bildschirmseiten an Daten mussten untergebracht werden – fast schon ein kleines Wunder, wenn man bedenkt, dass das Spiel ursprünglich auf dem NEC PC-8801 laufen sollte.

Auch die Musik stammt aus Entwicklerhand. Hibiki Godai komponierte das markante Thexder-Titelthema selbst. Besonders kurios: Im Abspann ertönte Beethovens Mondscheinsonate – was in einem Action-Shooter für viele Spieler mehr als nur überraschend war. Dazu kamen digitale Sprachsamples wie „Intruder is coming!“ (Eindringling kommt!), die in der japanischen PC-88-Fassung klar zu verstehen waren, in den westlichen DOS-Versionen allerdings so verrauscht, dass viele Spieler dachten, ihre Soundkarte sei defekt.

Kommerziell war Thexder ein Riesenerfolg. In Japan wurden über eine halbe Million Einheiten verkauft, weltweit über eine Million. Für ein Heimcomputerspiel Mitte der 80er war das sensationell. Ken Williams von Sierra erinnerte sich später, dass man das Spiel kurz vor Weihnachten 1986 in den USA veröffentlichte – und es 1987 der meistverkaufte Sierra-Titel überhaupt war. Damit war Thexder auch für die Amerikaner ein Meilenstein: ein japanisches Spiel, das von einem US-Publisher groß gemacht wurde.

Erschienen ist Thexder auf nahezu allem, was damals Strom bekam: NEC PC-8801, FM-7, Sharp X1, PC-98, MSX, Famicom (Nintendo), später MS-DOS, Apple II/IIgs, Macintosh, TRS-80 Color Computer, Amiga und sogar erst 2023 in einer Switch-Version. Auffällig ist die hohe Zahl an Publishern weltweit: In Japan veröffentlichten Game Arts, Denyusha und Square, in den USA übernahm Sierra, in Europa Activision, später kamen weitere wie D4 Enterprise hinzu.

Und hier kommt Square ins Spiel. Mitte der 80er war Square noch lange nicht der Riese, den wir später mit Final Fantasy verbanden. Ganz im Gegenteil: Square stand 1986 kurz davor, in der Versenkung zu verschwinden. Das Unternehmen hatte mehrere riskante Projekte parallel finanziert, darunter auch die Famicom-Version von Thexder. Die Entwicklung verschlang weit mehr Geld, als es jemals wieder einspielen sollte – denn das Spiel war zwar technisch eindrucksvoll, aber für viele Konsolenspieler schlicht zu hart. Während Game Arts in Japan schon die Sektkorken knallen ließ, kämpfte Square mit leeren Kassen. Hironobu Sakaguchi erzählte später, dass es ein „letzter Wurf“ sei, als er Final Fantasy begann – daher auch der Titel. Ohne den halbgescheiterten Ausflug mit Thexder hätte es dieses Projekt vielleicht nie gegeben. Man kann also sagen: Thexder brachte Square fast um, und gleichzeitig ebnete es den Weg für das Spiel, das die Firma rettete. Ironischerweise verdanken wir den ewigen Streit „Cloud gegen Sephiroth“ also indirekt einem Roboter, der sich in einen Jet verwandeln konnte.

Kritisch gesehen war Thexder aber nicht unumstritten. Die Schwierigkeit ist gnadenlos: Schon das erste Level kann Anfänger zur Weißglut treiben. Ein zeitgenössischer Rezensent meinte: „If you like painfully hard PC platform games, by all means this game is for you… For the casual gamer… there are better ones out there“ (Wenn du schmerzlich schwere PC-Platformer magst, ist dieses Spiel genau das Richtige für dich… für den Gelegenheitsspieler… gibt es bessere Spiele da draußen). Viele Tester bemängelten auch die etwas hakelige Steuerung und die labyrinthischen Level, die Spieler in Sackgassen schickten. Sierra bewarb Thexder zudem etwas unglücklich als „Arcade-Spiel“ – in Wahrheit gab es nie eine Automatenfassung, was manche Käufer irritierte.

Und dennoch: Thexder ist heute ein Kultspiel. Vielleicht weniger wegen seiner spielerischen Eleganz, sondern vielmehr, weil es ein Zeitdokument ist. Es zeigt, wie ein japanisches Studio in kürzester Zeit ein Spiel erschuf, das sowohl in Japan als auch im Westen ein Millionenseller wurde, wie Publisher weltweit zusammenarbeiteten, und wie sogar Square seine ersten Schritte auf Nintendo wagte. Für Sierra war es ein Goldgriff – Thexder machte das Unternehmen 1987 reicher, als es mit Adventure-Spielen je gerechnet hätte.

In den Archiven bleibt es bis heute ein faszinierendes Beispiel dafür, wie Ost und West in den 80ern einander Spiele hin- und herreichten. Und seien wir ehrlich: Wer einmal im Jet-Modus durch eine Wand von Pixel-Gegnern gebrettert ist, vergisst das nicht so schnell – auch wenn man beim zwanzigsten Bildschirmtod vielleicht den Joystick am liebsten durchs Zimmer geworfen hätte.