Commodore LCD

Commodore LCD – Ein Bildschirm, der niemals flimmerte

clcd top

Picture is taken from: https://www.c64-wiki.de/wiki/Datei:CLCD_top.png

Der Commodore LCD, häufig auch als CBM LCD bezeichnet, war Commodores ehrgeiziger Versuch, Mitte der 1980er Jahre in den entstehenden Markt der tragbaren Computer vorzudringen – ein Projekt, das technisch vielversprechend begann, aber nie über den Prototypenstatus hinauskam. Vorgestellt wurde das Gerät auf der Winter Consumer Electronics Show im Januar 1985, wo Commodore es als „tragbaren Computer für Profis“ anpries – kompakt, batteriebetrieben und ausgestattet mit einer Vielzahl integrierter Anwendungen. Der graue Klapprechner mit dem aufklappbaren LCD-Display wirkte futuristisch, fast wie ein Vorgriff auf die Notebooks, die erst Jahre später die Bürowelt erobern sollten.

Im Inneren arbeitete ein Rockwell G65SC102, eine energiesparende CMOS-Variante des MOS 6502, die mit 1 MHz lief. Der Prozessor war ein 8-Bit-Klassiker, der sich durch geringen Stromverbrauch und einfache Architektur auszeichnete, und war eine logische Weiterentwicklung des Chips, der bereits im Commodore 64 seinen Dienst tat. Der LCD besaß 32 KB RAM, die auf bis zu 128 KB erweiterbar waren, und 96 KB ROM, in dem nicht nur das Betriebssystem, sondern auch mehrere Anwendungen vorinstalliert waren. Durch die CMOS-Technik erreichte das Gerät eine für damalige Verhältnisse beeindruckende Batterielaufzeit von rund fünf Stunden bei Betrieb über vier NiCd-Akkus.

Das Display war eines der fortschrittlichsten Merkmale. Es handelte sich um ein monochromes Flüssigkristall-Panel mit einer Auflösung von 480 × 128 Pixeln. Im Textmodus bot es 80 Spalten bei 16 Zeilen – doppelt so viel wie der beliebte Tandy Model 100, der nur 8 Zeilen und 40 Spalten darstellen konnte. Das Commodore-Display war klar, kontrastreich und ungewöhnlich schnell, obwohl es nur zwei Farben kannte: Schwarz auf Hellgrau. Damit war der Rechner für Textverarbeitung und Tabellenkalkulation ideal geeignet, während grafische oder farbintensive Anwendungen naturgemäß ausgeschlossen blieben.

Die Tonausgabe war minimalistisch. Statt eines Soundchips wie dem legendären SID des C64 verfügte der LCD nur über einen einfachen Piezo-Lautsprecher, der Beep-Töne und einfache Signale erzeugen konnte. Musik, Klänge oder gar Sprache waren nicht vorgesehen – ein bewusster Verzicht, da Commodore das Gerät als mobiles Arbeitsinstrument konzipierte, nicht als Unterhaltungsplattform.

Trotz seiner kompakten Bauweise – rund 30 × 28 × 5,5 cm bei einem Gewicht von etwa 2,3 kg – verfügte der LCD über eine bemerkenswerte Vielfalt an Anschlüssen. Dazu zählten eine RS-232-Schnittstelle, ein Centronics-Port für Drucker, der Commodore-typische serielle IEC-Bus für Laufwerke und Drucker der C64/C128-Serie sowie ein integriertes 300-Baud-Modem. Dieses besaß sogar Buchsen für einen Akustikkoppler und konnte direkt an Telefonleitungen angeschlossen werden. Ein geplanter Barcode-Leseranschluss und Erweiterungsports zeigten, dass Commodore das System modular auslegen wollte. Als Massenspeicher diente ein Teil des RAMs als RAM-Disk, während externe Laufwerke – darunter ein nie erschienenes 3,5″-Modell namens VC-1561 – vorgesehen waren.

Als Betriebssystem kam Commodore BASIC 3.6 zum Einsatz, eine Variante des C128-BASIC 7.0, angepasst für das LCD-Display. Im ROM waren zahlreiche Programme integriert: eine Textverarbeitung, ein Tabellenkalkulationsprogramm, ein Adressbuch, ein Kalender, ein Taschenrechner, ein Notizbuch und ein Terminal-Programm zur Datenübertragung über das interne Modem. Das Startmenü bot direkten Zugriff auf diese Anwendungen, was den LCD zu einem der ersten Computer mit „out-of-the-box“-Softwarepaket machte. Für Entwickler stand außerdem ein Maschinensprache-Monitor bereit, mit dem Programme in Assembler geschrieben und getestet werden konnten.

Die Entwicklung begann 1984 unter Leitung von Jeff Porter, der zuvor an Commodores Modemprojekten gearbeitet hatte. Unterstützt wurde er von Bil Herd – bekannt durch den C128 – sowie Ian Kirschman, Hedley Davis, Judy Braddick, Andy Finkle und Carolyn Scheppner. Commodore wollte mit dem Projekt nicht nur ein neues Produkt, sondern auch eine eigene LCD-Fertigung in Dallas nutzen, die aus früheren Uhrenprojekten stammte. Der LCD war also auch ein Versuch, interne Ressourcen gewinnbringend einzusetzen. Der anvisierte Verkaufspreis lag unter 600 US-Dollar, was inflationsbereinigt etwa 1.700 Euro entspräche – ein erstaunlich niedriger Preis im Vergleich zu Konkurrenten wie dem Tandy Model 100 (800 $) oder IBMs PC Convertible (über 1.500 $).

Trotz seiner vielversprechenden Technik und des attraktiven Preises kam es nie zur Serienproduktion. Commodores damaliger CEO Marshall Smith stellte das Projekt überraschend ein, nachdem ihn angeblich der Chef von Tandy auf der CES davon überzeugt hatte, dass mit tragbaren LCD-Computern kein Geld zu verdienen sei. Smith nahm diesen Rat ernst, verkaufte Commodores LCD-Abteilung und stoppte das Projekt kurz vor Produktionsbeginn. Laut Zeitzeugen wie Bil Herd und Jeff Porter lagen bereits rund 15.000 Vorbestellungen von Händlern vor, die Commodore damit ungenutzt verstreichen ließ.

Der Commodore LCD hatte klare Stärken: Er war leicht, vielseitig, günstig und mit zahlreichen Schnittstellen ausgestattet. Sein 80-Spalten-Display war ein Alleinstellungsmerkmal in seiner Preisklasse, und das eingebaute Modem hätte ihn zu einem frühen mobilen Kommunikationsgerät gemacht. Doch er hatte auch Schwächen – vor allem die fehlende C64-Kompatibilität, keine Farb- oder Tonfähigkeiten und eine rein auf Text ausgelegte Software. Dadurch blieb er zwischen den Zielgruppen gefangen: zu sachlich für Heimnutzer, zu schwach für Geschäftsleute.

Heute existieren nur noch wenige Exemplare, vermutlich weniger als fünf weltweit. Sie befinden sich in den Händen ehemaliger Commodore-Ingenieure und Sammler. Der Commodore LCD blieb ein faszinierendes „Was-wäre-wenn“-Projekt – ein tragbarer Computer, der seiner Zeit voraus war, aber an einer einzigen Fehlentscheidung scheiterte. Wäre er erschienen, hätte Commodore womöglich den frühen Laptop-Markt entscheidend mitgestalten können. Stattdessen wandte sich das Unternehmen bald der Amiga-Produktlinie zu, während Firmen wie Tandy, Toshiba und IBM den mobilen Markt übernahmen. Der CBM LCD steht heute als Symbol für verpasste Chancen, für den Pioniergeist der Ingenieure und für den tragischen Irrtum einer Führungsetage, die nicht erkannte, dass hier ein Stück Zukunft in ihren Laboren stand.

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